Noch bis August ist im C/O in Berlin die Ausstellung “Genesis” mit Fotos von Sebastião Salgado zu sehen. Er zeigt die von der Zivilisation weitgehend unberührte Seite unserer Welt. Indem Salgado uns an ihrem Zauber teilhaben lässt, weckt er gleichzeitig die Sorge um ihren Bestand.

Sebastiao Salgado, "Genesis", erschienen im Taschen-Verlag.

Mit Krisen- und Sozialreportagen ist der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado weltberühmt geworden. Unvergessen sind beispielsweise seine Foto der Goldminenarbeiter in Brasilien, Wimmelbilder voller Menschen, die das wertvolle Metall aus der Kruste unseres Planeten lösen. Freiwillig, im Goldrausch, der dort in den 1980er-Jahren losbrach. Mittelalterliche Zustände im 20. Jahrhundert. Salgado hat Arbeiter überall auf der Welt begleitet; für sein Projekt “Migrations” ist er mit Flüchtlingen  durch ökologische Katastrophen und durch Kriegsgebiete gezogen. Auf diesen Reisen, die ihn jahrelang von einem Brennpunkt zum anderen führten, so erzählte er es dem „Spiegel“, habe er zuviel Grauen gesehen. Er ist nach der Jahrtausendwende deshalb andere Wege gegangen, nicht mehr zu den Tragödien, sondern hin zu den Ursprüngen, zu weitgehend unberührten Landschaften und Biotopen sowie den Lebensräumen indigener Völker mit wenig Kontakt zur Zivilisation. Von diesen Reisen hat er Bilder von einer überwältigenden, berührenden Schönheit mitgebracht. Er zeigt nicht die Zerstörung, er zeigt das Paradies.

“Genesis” heißen das immens erfolgreiche Buch und die dazugehörige Ausstellung mit Salgados Fotos. Kritiker haben Salgado früher vorgeworfen, er ästhetisiere das Leid dieser Welt. Dem war schon immer entgegenzuhalten, dass sein Blick und sein formaler Gestaltungswille nicht nur das Augenmerk des Betrachters auf das abgebildete Geschehen lenkt, sondern darüber hinaus eine Verbindung dazu entstehen lässt. Das gelingt ihm auch bei seinen neuen Bildern aus nahe liegenden und entlegenen Winkeln und Zufluchten der Erde. Die Jounalistin Isabelle Francq, Co-Autorin des Buchs “Sebastiao Salgado – from my land to the planet”, hat die Wirkung seiner Bilder auf den Punkt gebracht:

I love the flamboyant aesthetics of his images, their constantly extraordinary light, the power they transmit, but also the tenderness they emanate, which brings me back to the best in myself.

Die Genesis-Bilder öffnen das Herz. Aus ihnen sprechen Salgados Demut und Empathie sowie seine anrührende Menschlichkeit. Sie im Buch anzuschauen, ist wundervoll. Sie in der Ausstellung großformatig und strahlend vor Augen zu haben, ist ein noch viel tieferes Erlebnis. Diese ungeheuere und gleichzeitig so verletzbare Schönheit lässt mich die Welt für ein paar Stunden wie ein Kind sehen: voller Freude, mit großen Augen, ungläubig staunend und, für die Stunden des Besuchs, mit dieser Gewissheit, dass die Welt so, nur so und nicht anders sein darf. Welch ein Geschenk.

Salgados Frau und Kuratorin Lélia Wanick Salgado sieht in den Genesis-Bildern einen “call to action”, die unverfälschten, ursprünglichen Gegenden und Zufluchten der Erde zu schützen – es bedarf eigentlich keiner Worte dazu.

Die Genesis-Ausstellung ist noch bis zum 16. August 2015 im C/O Berlin (im Amerikahaus in Berlin, direkt neben Bahnhof Zoo) zu sehen. Der Bildband “Genesis” ist im Taschen-Verlag erschienen. Wer mehr über Seabsatião Salgado erfahren möchte, dem sei Wim Wenders´ gelungene und 2014 in Cannes preisgekrönte Kinodokumentation “Das Salz der Erde” ans Herz gelegt.