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Der Twitter-Vogel ist als Logo Kult. Die Marke benötigt hingegen ein schärferes Profil. Foto: Twitter

 

Twitter feiert seinen 10. Geburtstag, und die Welt feiert Twitter. Zurecht. So gratuliert das Wired-Magazin mit einer feinen „Timeline“ berühmter Tweets, inklusive des Selfies von Fußball-Nationalspieler Lukas Podolski mit Angela Merkel und dem gewonnen Weltpokal, und natürlich mit einer Referenz an den arabischen Frühling, der ohne Social Networks und insbesondere Twitter nicht möglich gewesen wäre. Sehr sehens- und lesenswert, doch solche Erinnerungen sind im schnellebigen Social Media-Zeitalter eher nostalgisch.

Fakt ist, Twitter steht unter Druck. Es wächst nicht. Twitter verharrt ungefähr bei 320 Millionen Nutzern, und das sind nicht genug, um zum Beispiel die Investoren zufrieden zu stellen. Zehn Jahre nach dem Start stellt sich die Frage, woher das Wachstum kommen und worauf das Geschäft in Zukunft basieren soll. Das Unternehmen unter der Leitung des Gründers Jack Dorsey reagiert, indem es dieses oder jenes Feature und das Produkt an sich ergänzt und verbessert. Vor allem, um besser von Werbeeinnahmen profitieren zu können. Sicher ein richtiger Schritt, denn wie sonst sollte Twitter mehr Geld einnehmen? Und doch greifen diese Maßnahmen zu kurz, stellen einen typischen Management-Reflex dar, der die große Frage außer acht lässt:

Was leistet Twitter für wen? Anders gefragt: Wie lässt sich die Marke besser und schärfer positionieren?

„Unser Ziel: Jeder kann seine Ideen und Informationen sofort und über Grenzen hinweg teilen“, schreibt Twitter auf seiner Internetseite. Substanzielleres gibt es zur Marke nicht. So weltoffen und modern das klingt – es enthält nicht ein Funken Differenzierung. Positionieren heißt, sich zu entscheiden. Für und gegen Zielgruppen. Davor schreckt Twitter zurück. Aber es ist überfällig, dass sich das Unternehmen mit dieser Frage auseinandersetzt.

Was ist Twitter? Auf jeden Fall kein soziales Netz, in dem sich die Menschen wirklich privat untereinander austauschen. Wer zwitschert schon Fotos aus dem Urlaub oder von der letzten Geburtstagsparty? Das ist der Unterschied zu Facebook, und deshalb hat Twitter gegen das soziale Konsortium aus Facebook, Instagram und What´s App keine Chance. Die private Kommunikation und die daraus generierten Daten sind deren Domäne, ihr uneinholbar scheinender Wettbewerbsvorteil. Twitter sieht im Vergleich dazu immer wie der verarmte Vetter der Social-Media-Familie aus.

Plattform der Insider?

Auf Twitter informieren sich Experten und Geschäftsleute untereinander, Marken und Unternehmen weisen auf Neuigkeiten hin, Medien und Journalisten twittern ihre Schlagzeilen, Showstars, Sportler und Blogger halten ihre Anhängerschaft auf dem Laufenden. Oder es läuft eine Debatte, ob der letzte Tatort super oder daneben war. So vernetzt Twitter Interessen. Über Hashtags bilden sich intuitiv und in Windeseile Communities mit einem eignen Informations- und Meinungsfluss. Bei nachlassender Aktualität und Relevanz eines Themas verflüchtigen sich diese Gemeinschaften wieder. Das alles macht den Charme von Twitter aus. Nun könnte man fragen: Das ist doch eine Positionierung? Die Antwort lautet: Nein, ist es nicht. Das hat sich herauskristallisiert. Das sind der Inhalt und der Sinn, mit dem die Nutzer Twitter gefüllt haben. Aber genau hier liegt die Chance, das Twitter-eigene Spielfeld neu zu definieren und sich aus dem hoffnungslosen Wettbewerb und ewigen Vergleichen mit Facebook und Co. herauszuwinden. Als Business- und/oder Special-Interest-Plattform, als Netzwerk der Meinungsführer oder neudeutsch „Influencer“? In diese Richtung. Vielleicht.

Das Wichtigste wäre aus meiner Sicht, dass Twitter sich diese Gedanken überhaupt macht, eine Positionierung ableitet und diese auch kommuniziert. Besser eine Marktnische ausschöpfen – was angesichts hunderter Millionen potenzieller Nutzer etwas seltsam klingt –, als nach dem Prinzip “all things to all people – seht zu, was Ihr daraus macht” an Bedeutung zu verlieren.

In diesem Sinne – Happy Birthday. Und: #lovetwitter.