Von Professor Peter Kenning, Experte für Neuro-Marketing an der Zeppelin University in Friedrichshafen, erreichte die Redaktion der folgende Beitrag. Er untersucht das Thema Vertrauenswürdigkeit von Internetangeboten und kommt zu dem Schluss, dass Webangebote wie Ebay sich über Inhalt, Art der Informationsvermittlung und Farbgebung geschlechtsspezifisch auf die Userin oder den User einstellen müssten. Er basiert auf einer Studie, die Kenning gemeinsam mit Dr. René Riedl vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Mainz im „MIS Quarterly“ veröffentlicht hat:Autor: Prof. Peter Kenning, Zeppelin University

Ob ein Angebot bei Ebay als vertrauenswürdig empfunden wird oder nicht, hängt entscheidend davon ab, ob ein Mann oder eine Frau die Beurteilung vornimmt. Wirtschaftswissenschaftler aus Deutschland und Österreich haben nun erstmals nachgewiesen, dass bei Vertrauensentscheidungen im Internet je nach Geschlecht unterschiedliche Gehirnregionen aktiv sind und die Neurobiologie somit eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Informationssystemen spielt.

Transaktionen im Internet sind oft mit höherer Unsicherheit verbunden als dies bei traditionellem Handel der Fall ist. Die Forschung zum Thema Vertrauen gewinnt deshalb in der Wirtschaftswissenschaft und -praxis zunehmend an Bedeutung.

Empirische Befunde zeigen, dass Vertrauensentscheidungen von Männern und Frauen im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere dem Internet, oft unterschiedlich getroffen werden. Problematisch ist, dass die Forschung bisher kaum in der Lage war, zufrieden stellend zu erklären, warum diese geschlechterspezifischen Unterschiede auf Verhaltensebene bestehen. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass die existierenden Theorien bisher den das menschliche Verhalten am offensichtlichsten beeinflussenden Faktor außer Acht gelassen haben, nämlich die Biologie.

In der nun in der renommierten Fachzeitschrift „MIS Quarterly“ veröffentlichten Studie wurde von der These ausgegangen, dass die Berücksichtigung biologischer Faktoren – insbesondere jener, die mit dem menschlichen Gehirn in Zusammenhang stehen – zu neuen Einsichten führt, um geschlechterspezifische Unterschiede bei Vertrauensentscheidungen im Internet erklären zu können.
Durch Anwendung der funktionellen Magnetresonanztomographie konnte gezeigt werden, dass Vertrauen im Internet mit Aktivierungsveränderungen in bestimmten Gehirnregionen zusammenhängt. In einem Experiment wurde die Gehirnaktivität von Frauen und Männern während der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit von Ebay-Angeboten gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass bei Frauen und Männern großteils unterschiedliche Gehirnregionen aktiviert sind: bei Frauen eher Emotionszentren, bei Männern eher Zentren rationalen Denkens. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass bei Frauen mehr Gehirnregionen aktiviert sind als bei Männern. Die Befunde der Studie bestätigen alles in allem die so genannte „Empathizing-Systemizing-Theorie“, die besagt, dass zwischen Frauen und Männern Unterschiede in der neuronalen Informationsverarbeitung bestehen.

Der experimentelle Nachweis, dass die Vertrauenswürdigkeit von Ebay-Angeboten mit der menschlichen Neurobiologie in Zusammenhang steht, hat beträchtliche Implikationen für Wissenschaft und Praxis: Neurobiologische Faktoren sollten in Zukunft verstärkt berücksichtigt werden, wenn menschliches Verhalten erklärt werden soll und wenn das Verhalten von Menschen beeinflusst werden soll, etwa bei der Entwicklung von Informationssystemen.
Auf Basis der Studienergebnisse sowie anderer neurowissenschaftlicher Befunde könnte man hierzu der Praxis empfehlen, bei der Gestaltung von User Interfaces auf geschlechterspezifische Unterschiede bei der neuronalen Informationsverarbeitung Rücksicht zu nehmen. Konkret könnte das bedeuten, dass auf Websites, die via Profilangaben das Geschlecht ihrer User kennen, Interfaces in Echtzeit angepasst werden, je nachdem, ob eine Frau oder ein Mann eine Website öffnet. Wichtige Gestaltungselemente wären vor allem der Inhalt einer Website, die Art der Informationsdarstellung sowie die eingesetzten Farben.