Arcandor insolvent – ein Schlag ins Kontor

Dass es den Warenhäusern allgemein und Karstadt speziell nicht gut geht, haben wir an dieser und anderer Stelle des öfteren berichtet. Aber die heutige Insolvenz des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor – das ist ein Schlag ins Kontor. Klar, der Betrieb läuft erst einmal weiter. Aber das große Zittern hat begonnen.

Nicht nur, verständlicherweise, bei den 43.000 Mitarbeitern. Für viele Hersteller ist Arcandor ein extrem wichtiger Vertriebspartner mit Karstadt und Quelle. Die Attraktivität ganzer Innenstädte hängt von den Warenhäusern ab. Man sehe sich nur einmal Dortmund an, wo Karstadt mit dem Haupthaus, dem Technikhaus und Karstadt Sport eine der besten Einkaufslagen Deutschlands prägt. Es geht hier um mehr als ein Unternehmen, das in der Vergangenheit seine Hausaufgaben nicht immer komplett erledigt hat und dessen ehemaliger Chef, Dr. Thomas Middellhoff plötzlich wie ein Blender dasteht. Seinem Nachfolger Dr. Karl-Gerhard Eick hat er kein Unternehmen auf dem richtigen Weg, sondern einen veritablen Problemfall hinterlassen.

Die nun  – endlich! – auch von der Metro angestrebte Deutsche Warenhaus AG mit der Zusammenfassung von Karstadt und Kaufhof ist der einzige gangbare Weg, um aus dem Dilemma herauszufinden. Aber auch die K&K-Fusion wird die Manager auf beiden Seiten nicht von ihrer Pflicht entbinden, die Kompetenz und das Angebot der Warenhäuser im Betriebstypenwettbewerb mit Internet, Filialisten und Fachmärkten neu zu definieren. Sonst ist die Deutsche Warenhaus AG schnell der nächste Kandidat für den Gang zum Amtsgericht. Dass die Warenhäuser beharrlich an Marktanteilen und Bedeutung verlieren, ist ja nur wahrlich kein Trend der letzten Monate, was den Verweigerern einer Staatshilfe Recht gibt.

Schon in den 90-er Jahren zeichnet sich das ab. Eine kreative und innovative Antwort zum “Warenhaus der Zukunft” sind die Betreiber, von Einzelprojekten mal abgesehen, bis heute schuldig geblieben. Kaufhof hat mit dem Galeria Konzept immerhin ein relativ homogenes Angebot am Markt, während sich die Karstadthäuser in ihren Konzepten teilweise stark unterscheiden – vom Luxustempel über Spezialisten bis hin zum althergebrachten “Alles-unter-einem-Dach”-Angebot gibt´s bei Karstadt (fast) alles. Innovative Ansätze wie am Limbecker Platz in Essen kamen offenkundig zu spät.

Karstadt in der Klemme

Die Liste der Verblichenen ist illuster und lang. Aber wer erinnert sich noch an Kepa, Kaufring oder Kaufhalle? Hat jemand noch vor Augen, dass Horten einmal selbständig war und mit der Erfindung des Galeria-Konzepts die letzte konzeptionelle Idee zur Zukunft der Warenhäuser hatte? Lange her. Jetzt blickt Hertie in den Abgrund und dem Kaufhof geht es wie Karstadt nicht wirklich gut, aber unter dem Metro-Dach lebt es sich noch etwas leichter als im wackeligen Gebilde der Karstadt-Mutter Arcandor. Die Kauf- und Warenhäuser haben ihre Kompetenzen verloren; gegen die schnellen Filialsysteme im Mode- und Parfümeriebereich, die Fachmärkte in der Technik und das Gesamterlebnis moderner Einkaufscenter tun sie sich mehr als schwer.

Arcandor hat nun ein Konsolidierungsprogramm vorgelegt. Vorstandschef Dr. Karl-Gerhard Eick sammelt all die Konzepte wieder ein, mit denen sein Vorgänger Dr. Thomas Middelhoff die Warenhäuser in eine bessere Zukunft führen wollte. Im Kern verfrachtet Arcandor alles, was nicht profitabel ist oder zum Kerngeschäft gehört, in eine neue Gesellschaft namens Atrys. Deren Aufgabe ist es, diese Teile “weiterzuentwickeln”, also zu retten, zu verkaufen oder zu schließen. Dass dort unrentable Karstadt-Häuser oder die Technikhäuser des Versenders Quelle landen, ist weder ein Wunder noch eine Überraschung.

Aber die Einsortierung der Karstadt Premium Group mit den Konzern-Flaggschiffen Alsterhaus (Hamburg, Bild), KaDeWe (Berlin) und Oberpollinger (München) in diese Verwertungsgesellschaft wirft Fragen auf. Von Middelhoff, dem die Sanierung des Konzerns nicht annähernd so gut gelang wie es die Außendarstellung suggerierte, waren diese Luxuskaufhäuser als Wachstums- und Zukunftsfeld definiert worden. Eick will sie offenbar nicht mehr haben, denn er stellt sie mit diesem Schritt quasi zum Verkauf. Gestern noch dachte Karstadt über eine Internationalisierung nach, prüfte zum Beispiel Standorte wie St. Petersburg, heute will das Unternehmen davon nichts mehr wissen. Die Begründung geriet eirig. Die Premiumhäuser zählten “international zu den erfolgreichsten und renommiertesten Warenhäusern”, gehörten aber “in Bezug auf ihre Zielkunden, Sortimente und Betriebsgröße” nicht zum Kerngeschäft der Karstadt-Filialen.

Indem Eick Middelhoffs Träume begräbt, wird er die Perfomance von Karstadt und Arcandor sicher kurzfristig verbessern, nach Berechnungen des Unternehmens um mehrere Hundert Millionen Euro. Langfristig raubt er der Retail Brand Karstadt die Überzeugungskraft. Die Luxushäuser als Impuls- und Innovationsgeber für die Sparte, aber auch als Imageträger fallen weg. Noch dazu stößt er verbelibenden Warenhäuser in einen Wettbewerb, den sie nicht gewinnen können. Denn Karstadt visiert nun eine Zielgruppe an, die man auf der Straße nicht trifft: “die profilierte Mitte”. Wer soll das sein?

Wahrscheinlich sind das genau die Verbraucher, die kürzlich von Serviceplan, Facit und Dr. Wieselhuber & Partner zum Konsumverhalten befragt worden sind (n=3000). Ergebnis: Douglas, dm sowie die Unternehmen Alnatura und Jack Wolfskin sind die derzeitigen Top-Unternehmen aus Verbrauchersicht, gefolgt von Basic, Body Shop, Ikea, Toys’’R’’Us, Baby Walz, Pieper, Rossmann, Vedes, Höffner und Kaufland. Weniger gut schneiden der Lebensmitteleinzelhandel, die Mode- und Textilbranche und vor allem die Kauf- und Warenhäuser ab. Schlusslichter des Rankings sind Coop, Kaisers, Hertie, Schlecker und SB-Möbel Boss sowie Norma, Woolworth und KiK. Immerhin tauchen Karstadtund auch Kaufhof unter den Schlechtesten nicht auf, aber die Musik spielt aus Sicht des Verbrauchers eindeutig woanders.

Karstadt liegt in diesem Ranking auf einem recht unprofilierten Mittelplatz (27), ein paar Plätze vor dem Kaufhof (34). Was aber wirklich besorgniserregend ist: Aus Sicht der Konsumenten wird Karstadt als das Warenhaus wahrgenommen, das unter der Wirtschaftskrise besonders zu leiden hat. Stärker als Kaufhof, wo die Kunden ihr Geld, wenn sich das Portemaonnaie leert, offenbar lieber ausgeben, Karstadt steckt in der Klemme. Die Finanzen verbessern, das Filialnetz restrukturieren und gleichzeit die Zuneigung der Kunden zurückzugewinnen – das könnte eine Aufgabe zuviel sein.

Staatliche Hilfen können nicht die Rettung sein. Dafür ist der Wettbewerb im deutschen Einzelhandel zu intensiv und es würde zu einer Verzerrung kommen. Außerdem – siehe oben – stecken  die Kauf- und Warenhäuser in einer Strukturkrise, die auch mit öffentlichen Mitteln oder Garantieren nicht zu bewältigen ist.