Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat eine einsame Entscheidung getroffen und eine Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch die Edeka in Aussicht gestellt. Die Auflagen des Bundeswirtschaftsministeriums sichern erst einmal fast 16.000 Arbeitsplätze für mehrere Jahre. Wettbewerbspolitische Bedenken hat Gabriel dafür über Bord geworfen.
In der Ecke Düsseldorfs, in der ich wohne, gab es bis vor ein paar Jahren drei Supermärkte von Kaiser´s Tengelmann. Mittlerweile sind es nur noch zwei. Und auch an denen ist nichts so „super“, dass ich ihnen eine lange Überlebensfrist zutrauen würde. Sie sind klein, vollgepackt, unmordern, mit vernachlässigenswerten Frischebereichen und ohne Fleisch- und Käsetheke. Wären nicht die Biomarke Naturkind und die bequeme Lage, wenn mal ein Liter Milch fehlt, spräche nichts für einen Besuch dieser Geschäfte. Mit Blick auf diese Läden verstehe ich sofort, warum die Tengelmann-Gruppe ihre Supermärkte lieber heute als morgen lostreten möchte. Das kann nichts mehr werden. Viele der nur 470 Märkte in Deutschland, geballt am Niederrhein, in München und Oberbayern und Berlin-Brandenburg, leiden unter einem Investitionsstau und fehlenden, nach Lagen und Größen ausdifferenzierten Konzepten. Die ganze Chose zu verkaufen, ist unternehmerisch die rettende Idee. Im Wettbewerb mit Rewe, Lidl, Aldi und eben Edeka war Kaiser´s Tengelmann hoffnungslos ins Hintertreffen geraten. Nach dem erfolgreichen Verkauf der Discounterkette Plus von Tengelmann an Edeka in 2008 erscheint es nachvollziehbar, dass beide Unternehmen ihren Coup wiederholen möchten.
Nun hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit seiner Ministererlaubnis den Weg zur Übernahme geebnet, mit dem sympathischen Effekt, dass seine Auflagen den Großteil der 16.000 Arbeitsplätze erst einmal sichern. Zum Beispiel müssen die Märkte von Edeka noch fünf Jahre in Eigenregie betrieben und dürfen nicht an selbständige Händler übergeben werden. Auch für die Zeit nach gibt es Garantieregeln. Das freut die Angestellten, die Gewerkschaft Verdi und hilft dem möglichen Kanzlerkandidaten Gabriel und seiner SPD, sich im aufziehenden Bundestagswahlkampf besser zu positionieren. Beim Bundeskartellamt wird man sich hingegen die Haare raufen. Die Kartellwächter hatten sich gegen die Übernahme ausgesprochen.
Für die Markenartikler wird es noch enger
So einsam sie auch getroffen wurde: Eine Heldentat ist die Ministererlaubnis nicht. Dass die Rewe und andere Wettbewerber keine Chance bekommen haben, ein Angebot auf die gesamte Kette oder Teile des Filialnetzes abzugeben, wird ein Makel dieser Übernahme bleiben. Wie andere Marktteilnehmer auch, kann die Rewe überhaupt kein Interesse daran haben, dass der Marktführer Edeka noch mehr Fläche, noch mehr Märkte und noch mehr Einkaufsmacht auf sich vereint. Kein Wunder, dass die Kölner lautstark polterten.
Vor allem für die Markenartikelindustrie wird die Lage immer haariger. Es wäre ja völlig in Ordnung, wenn der Einzelhandel um seine Einkaufskonditionen feilschen würde wie die Kesselflicker, aber die Macht der Marktführer ist so groß, dass da mehr diktiert als verhandelt werden dürfte. Gerade für kleinere Markenhersteller ein Riesenproblem. Die Jahresgespräche mit der Edeka werden nach der erfolgten Übernahme von Plus und der nun möglichen von Kaiser´s bestimmt nicht einfacher. Dazu kam von Gabriel kein Wort. Diese Themen sind kritisch zu sehen. Aber was da sonst an Metadiskussionen geführt wird – steigende Verbraucherpreise, weniger Produkt- und Angebotsvielfalt – ist Theorie und geht an den Strukturen und an der Wirklichkeit des deutschen Lebensmitteleinzelhandels und unserer Überflussgesellschaft schlicht vorbei. Preise und Vielfalt sind nun wirklich nicht das Problem, heute und auch in Zukunft nicht. Insofern ging auch die Argumentation des Bundeskartellamts, das eine deutliche Verschlechterung der Wettbewerbssituation in manchen Vertriebsgebieten von Kaiser´s befürchtete, an der Wirklichkeit von Einzelhändlern und Verbrauchern vorbei.
Ist Flächenwachstum noch die richtige Strategie?
Die Herausforderungen im LEH sind andere. Über kurz oder lang wird der Onlinehandel mit Lebensmitteln in Schwung kommen und auch neuen Anbietern mit neuen Konzepten neue Chancen bieten. Hier findet der wahre Stukturwandel statt. Langsamer als im Geschäft mit Büchern, Musik, Mode oder Unterhaltungselektronik, aber er wird kommen. Und ein echtes Problem wird nicht in den dichtbesiedelten Metropolregionen entstehen, in denen auch Kaiser´s Tengelmann vor allem zu finden ist, sondern in der Fläche. In vielen ausgedünnten ländlichen Gebieten, etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder im Bayerischen Wald, ist die Nahversorgung schon heute nicht mehr gesichert. Für diese strukturellen Themen ist die Übernahme der Tengelmann-Märkte durch die Edeka völlig bedeutungslos.
Und es stellt sich die Frage, ob Wachstum durch Flächenzukauf in Zeiten zunehmender Digitalisierung langfristig noch als eine erfolgsversprechende Strategie anzusehen ist.
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