FDP-Chef Christian Lindner: “Gefragt ist Datensouveränität”

Für die Zeitschrift “zeitschmelze” und die Initiative Deutschland Digital (IDD) habe ich Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP interviewt. Themen sind die Digitale Agenda der Bundesregierung, die Digitale Transformation von Verwaltung und Schulwesen und natürlich der Stand der Dinge in der deutschen Wirtschaft. Auch über Datenschutz und Sicherheit habe ich mit dem Chef-Liberalen gesprochen. Hier ein Auszug aus dem Gespräch:

(…) Kaum ein Verbraucher versteht, was mit seinen Daten, seinem digitalen Schatten und durch weitere Analysen geschieht. Wieviel Schutz benötigt er?

Datenschutz als Datenvermeidung ist nicht mehr zeitgemäß. Gefragt ist Datensouveränität. Es gibt ja nicht mehr nur den Staat und die Bürger, sondern eben auch private Anbieter, die die Daten der Menschen bewirtschaften. Hier ist der Rechtsstaat gefordert, für gesicherte Rechte des Einzelnen auch gegenüber den großen Plattformen zu sorgen. Jeder muss selber entscheiden können, wer, was und zu welchem Zweck mit seinen Daten macht.

Sicherheit ist ein großes Thema. Die Digitalisierung bietet da mehr Möglichkeiten, als gesellschaftlich vielleicht wünschenswert sind: Vorratsdatenspeicherung, Gesichtserkennung… Wo ziehen Sie die Linie?

Die Frage in einer Demokratie wie unserer ist doch: Wieviel an individueller Freiheit erlauben wir uns aufzugeben, wenn wir im Gegenzug mehr Sicherheit erhalten? Ich bin der Meinung, dass die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten ausreichen. Es mangelt im Vollzug. Was das Thema Gesichtserkennung angeht: Da bin ich zurückhaltend. Wer ist verdächtig? Bei wem wird die Technologie angewandt? Ich teile die Sorge, dass Anonymität verlorengeht.

Im nächsten Jahr steht die Bundestagswahl an. Träumen Sie mal vorwärts: Wäre mit der FDP ein Ministerium wie das von Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) zu machen, in dem Verkehr und digitale Infrastruktur zusammengelegt sind?

Wir haben ja keine Regierung, sondern eine Reagierung. Sie passt ihre Politik viel zu zögerlich an die Auswirkungen der Digitalen Transformation an. Die FDP hält ein Digitalministerium für erforderlich. Das wäre auch ein Signal, um das Bewusstsein für den digitalen Wandel in der Bevölkerung und in der Wirtschaft zu schärfen.

Wie digital ist eigentlich Christian Lindner?

Ich arbeite seit vielen Jahren komplett papierlos und nutze eine verschlüsselte Cloud. Außerdem bin ich in den sozialen Medien aktiv. Mir macht das einfach Freude.

Das gesamte Interview lesen Sie hier: FDP-Chef Christian Lindner: Mehr Bits und Bytes, weniger Bismarck » Initiative Deutschland Digital

Stell Dir vor, es ist Tag des Datenschutzes…

Für heute hat die Europäische Kommission den Tag des Datenschutzes ausgerufen. Obwohl das Thema Unternehmen und Menschen beschäftigen sollte, zieht dieser “Gedenktag” an der Öffentlichkeit vorbei wie ein Schiff in dunkler Nacht. Ein Weckruf ist nicht zu hören. Die Wirtschaft könnte ihn brauchen, denn viele Internetseiten gehen mit dem Datenschutzgesetz nicht konform.

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Datenschutz im Sumpf der Kompromisse

Nun liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Datenschutz vor. Es hätte schlimmer kommen können für die Direkt-Marketing-Branche, aber zufrieden kann sie nicht sein. Der An- und Verkauf von Adressen, neudeutsch Leads, ist ihr Treibstoff, und die Quellen dafür versiegen erst einmal. Der Verbraucher muss für alles und jedes eine Einwilligung geben, und dass er dies in großem Stile tut, erscheint doch ziemlich ausgeschlossen. Der Adresshandel wird zum Erliegen kommen.

Die Übergangsfrist von drei Jahren für die Nutzung von Altbeständen ist auch nur von begrenztem Nutzen, denn Adresssammlungen verlieren mit jedem Tag an Aktualität, Wirksamkeit und Wert. Immerhin, Empfehlungsmarketing bleibt zulässig, und das könnte eine interessante Konsequenz haben: All jene die, die eine bestehende Verbindung zum Kunden haben, werden für die Werbungtreibenden wieder zunehmend interessant. Clubs oder Verlage zum Beispiel, die ihren Abonnenten Angebote Dritter empfehlen. Dummerweise sind diese Vertrauensverhältnisse aber auch nur begrenzt mit zusätzlicher Werbung belastbar.

Nüchtern betrachtet, verliert die Politik mit dem neuen Datenschutzgesetz mehr als sie gewinnt. Die großen Datenskandale der letzten Monate sind schon durch die bestehende Rechtslage abgedeckt. Die neuen Vorschriften sind auch nicht geeignet, künftige Verstöße zu verhindern. Kriminelle Energie findet immer Wege, sich zu entladen. So beruhigt der Entwurf allenfalls die Volksseele und liefert der Großen Koalition ein Feigenblatt der Handlungsfähigkeit. Dass es ein eindeutiger Zielkonflikt ist, den Binnenkonsum ankurbeln zu wollen und gleichzeitig den Unternehmen die Vermarktungsinstrumente zu rauben, müsste jemand den Volksvertretern noch einmal deutlich sagen. Denn noch ist Zeit, frische Ideen in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen.

Geschieht dies nicht, droht zusätzliches Ungemach. Denn vieles im Gesetzentwurf ist Auslegungssache. Bis vor den Gerichten ersteinmal geklärt ist, was zulässig ist und was nicht, wird viel Zeit ins Land gehen. Übrigens, und das muss auch einmal gesagt werden, leiden unter den Neuregelungen auch die Verbraucher. Sie empfinden ja nicht jedes Mailing als Belästigung. Werbung dient eben auch der Information über neue Möglichkeiten, das Leben besser, angenehmer und vielleicht günstiger zu gestalten.

Dies sagend, muss auch noch einmal deutlich gemacht werden, dass für alle mit dem Direkt-Marketing befassten Anbietern und Unternehmen Seriösität und Qualitätssicherung im Vordergrund stehen müssen. Viele haben das längst erkannt, aber einige Billigheimer eben nicht. Um diese sollten Werbetreibende einen weiten Bogen machen.