Teil I: Win-Win – ein diskreditierter Begriff

Es gibt in Management und Marketing Begriffe, die dermaßen überstrapaziert worden sind, dass sie nun nervig und fast sinnentleert daherkommen. Wie zum Beispiel “Win-Win”. Kann das noch jemand hören? Anlass für diese Ehrenrettung in mehreren Teilen ist der VDI-Vertriebstag am 21. und 22. Februar in Bochum, auf dem das Thema Win-Win eine zentrale Rolle spielt.

Ist nicht jeder, der im Meeting den Begriff Win-Win in den Mund nimmt, schon als Meister des Bullshit-Bingo abgestempelt? Und passt es nicht ins Bild eines inflationär missbrauchten Begriffes, wenn allein eine Abfrage von “Win-Win” über Google News über 5000 Einträge in aktuellen Nachrichten hervorbringt? Und tragen nicht auch diverse Gewinnspielseiten im Internet dazu bei, dass vielen Menschen, nicht nur Managern, der “Win-Win”-Begriff allzu leicht und ohne Substanz über die Lippen kommt? “Win-Win” allerorten, und mit 6,6 Millionen Treffern bei Google insgesamt. Wenn es tatsächlich so weit her wäre mit dem Win-Win, wäre die Welt wohl ein besserer Ort, auch im Vertrieb, um den es hier in diesem Blog geht, und der von wahrem “Win-Win” immens profitieren kann. Mit dem “Win-Win-Cup” stellen das der VDI als Auslober und die absatzwirtschaft als Stifter seit über einem Jahrezehnt unter Beweis, und mit ihnen viele nominierte Kunden und Lieferanten, die nachweisen konnten, dass in ihrer Beziehung mehr steckt als der kurzfristige Vorteil eines jeden.

Angefangen hat alles in den 90-er Jahren mit einem Einkäufer, von dessen Kaliber die Welt bis dahin keinen gesehen hatte. “Um nach meiner Methode erfolgreich zu sein, müssen Sie alles für den erfolg tun. Alles! Sie müssen alle aus dem weg räumen – killen! – die nicht für diesen Erfolg arbeiten. Das ist fundamental. denn wenn Sie es nicht tun, dann werden Sie gekillt.” Mit solchen verbalen Injektionen, denen entsprechende Taten folgten, vergiftete der Automobil-Manager Ignazio Lopez die Atmosphäre zwischen Einkauf und Vertrieb, und viele folgten bereitwillig seinem Vorbild. Der Win-Win-Cup verfolgte von Anfang an das Ziel, mit Hilfe der Gewinner-Cases einen anderen Weg zu zeigen. Kunde und Lieferant, so die Botschaft, müssen sich einander nicht auszählen, sondern können gemeinsam mehr erreichen, echtes Win-Win eben, mit Vorteilen auf beiden Seiten.

Wendet man das berühmte Harvard-Verhandlungskonzept mit seinen vier möglichen Ergebnissen auf die Verbindung Kunde-Lieferant an, so stellt sich das Ergebnis wie folgt dar:

1. Verlierer und Verlierer: Der schlechteste Fall. Wenn von einem Verkaufsabschluss weder der Verkäufer noch der Kunde etwas hat, dann ist Hopfen und Malz verloren und Zweifel an der Kompetenz auf beiden Seiten angebracht.

2. Gewinner und Verlierer: Die Regel. The winner takes it all, und in der überwiegenden Mehrzahl ist es es der Einkauf der seine Interessen durchsetzt. Dieses Ergebnis einer Verkaufsverhandlung stellt sich zum Beispiel ein, wenn persönliche Meinungen und Forderungen, “hidden agendas”, Emotionen und Machtfragen im Spiel sind.

3. Kompromiss oder fauler Kompromiss: Nicht immer ganz schlecht, aber meist doch so, dass einer der Verhandlungspartner unglücklich dreinschaut und zu viele Forderungen und Positionen aufgegeben hat.

4. Win-Win-Strategien: Das bestmögliche Ergebnis einer Verhandlung, mit ausgewogenen Vorteilen auf beiden Seiten. Das geht. Doch für das Gelingen von Win-Win im Vertrieb gibt es Voraussetzungen. Die Interessengegensätze dürfen nicht unüberwindbar sein, das Machtgefälle zwischen den Partnern nicht allzu groß. Außerdem muss Empathie möglichkeit sein und es muss eine realistische Chance zur Entwicklung gemeinsamer Ziele geben.

In die Win-Win-Position zu bekommen, das ist vor allem ein Anliegen des Vertreibs. Wie das zu schaffen ist, zeigt Teil II, den ich in Kürze hier veröffentliche.


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