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Ein paar persönliche Gedanken zum Brexit …

Zu meinem Geburtstag habe ich in diesem Jahr einen Korb voller Spezialitäten geschenkt bekommen. Shandy, Cider, Ale, Lager, höllisch scharfer Mustard, Lemon Curd, alles einfach wunderbar und herrlich britisch. Neben den Red Beans, die noch lange überdauern werden, ist noch eine Flasche übrig, und die ist heute fällig: Monthy Pythons Holy (Gr)ail. Es scheint mir doch das einzige Getränk, mit dem sich der Wahnsinn des Tages ertragen lässt. Brexit. Da hilft nur der britische Humor der Monty Python-Truppe und ihr Bier, „tempered over burning witches“.

Der Brexit hat mich wirklich erschüttert. Er schwächt Europa. Er verschärft die Krise, in der Europa ohnehin steckt. Er führt dazu, dass ich mich als überzeugter EU-Europäer kleiner fühle. Die EU und ihre Institutionen verhalten sich oft zum Haareraufen, keine Frage. Aber ich bin dankbarer Nutznießer der Friedensdividende, die dieses Europa seit Jahrzehnten abwirft. Den gemeinsamen Binnenmarkt halte ich für eine großen Erfolg und das Schengen-Abkommen für einen echten Gewinn an Lebensqualität. Was für ein tolles Gefühl war das damals, zum ersten Mal einfach so über die Grenzen zu fahren, als wären sie nicht da. Ohne dieses Europa hätte es auch die deutsche Einheit nicht so widerstandslos gegeben. Nur ein tief in die EU integriertes Deutschland war den anderen Nationen nach den beiden Weltkriegen und dem Holocaust geheuer. Als mit Michael Gorbatschow, Glasnost und Perestroika die Bedrohung aus dem Osten ersteinmal schwand, musterte die Bundeswehr mich aus. Nicht mal zum Zivildienst – ich hätte auf jeden Fall verweigert – musste ich mehr antreten. Ein Jahr Lebenszeit gewonnen. Danke Gorbi, danke Europa.

Reform, Reform!

Wenn ich heute die Nachrichten und Brennpunkt-Sendungen schaue, könnte ich kochen vor Wut. Zwischen der Wendezeit und heute liegt ein verschwendetes Vierteljahrhundert. Jetzt wird dem Europa-Aktionismus der Mund geredet, auf einmal muss alles jetzt und sofort geschehen, als wäre der Stein der Weisen gefunden worden. Reform, Reform!  Freunde, Ihr wisst schon seit Jahrzehnten, wo der Hase im Pfeffer liegt. Im Kern wird die EU als eine Übermacht empfunden, die verbietet, gängelt und reguliert. Es dringt nicht zu den Menschen durch, was sie durch die EU an Freizügigkeit, an Vielfalt und an höheren Lebensstandards gewinnen. Und vor allem haben es die Mitgliedsstaaten versäumt, einen Konstruktionsfehler der EU zu beheben: die ungenügende demokratische Legitimation. Dass sie fehlt, ist eine Steilvorlage für EU-Gegner und Rechtspopulisten in Großbritannien und anderwso.

Europa der Herzen

Es ist nie wirklich gelungen, das Europa der Institutionen mit dem Europa der Herzen zu verbinden. Dabei würde es ohne dieses Europa viele grenzüberschreitende Lebensläufe nicht geben. Freundschaften, Lieben, Ehen, Karrieren. Allein der Gedanke, überall in der EU relativ problemlos leben und arbeiten zu können, hat Größe. Es wird Millionen von persönliche Geschichten dazu geben. Ich habe auch eine.

Sie beginnt in meinem Geburtsjahr, 1966, als meine Heimatstadt Lünen eine Städtepartnerschaft einging. Mit der britischen Stadt Swinton & Pendleburry, die später Stadtteile von Salford wurden. Erwachsen war dieses „Town Twinning“ aus der Begegnung zweier Bergleute, Les Suggett aus Swinton and Pendleburry und einem deutschen Kriegsgefangenen aus Lünen. Anfang der 1980er-Jahre fuhr ich im Jugendaustausch nach Salford, das direkt an Manchester grenzt. Tiefstes Industrieengland, Heimat des Manchester-Kapitalismus, das damals die zornigen “The Smiths” hervorbrachte. Kein Ort eigentlich für Sommerurlaube, und doch für mich der beste Platz der Welt. Bis heute gehören die damals entstandenen Freundschaften zu den wichtigen Konstanten meines Lebens. Und ich liebe Great Britain. Die Menschen. Die Sprache. Den Humor. London. Oxford. Die Gartenlandschaften. Shakespeare. Wilde. Beatles, Stones, The Smiths, Paul Weller und Oasis. Sir Simon Rattle. James Bond, klar doch. Judy Dench und Maggie Smith. Und immer wieder Salford und Manchester. United, nicht City. Der Brexit tut diesen Verbindungen und Vorlieben natürlich überhaupt keinen Abbruch. Aber es war ein schöner Gedanke, dass die Städtepartnerschaft und die damit verbundenen Begegnungen Teil einer großen europäischen Idee waren.

Diese droht jetzt auch in anderen Staaten von rechten Populisten und Nationalisten zerrieben zu werden. Das kleinere und in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht geschrumpfte Europa wird sich behaupten müssen. Moderner, menschennäher, demokratischer. Und Großbritannien? Das Land steht vor einer Zerreißprobe. 51,9 Prozent der Wähler stimmten für den Brexit, nur knapp mehr als die Hälfte der Wähler. Wahnsinn. In Schottland und Nordirland wird über Unabhängigkeit und einen Verbleib in der EU nachgedacht. Hält das Vereinigte Königreich diese Spannung aus? Ach, es ist Zeit für Monty Pythons´s Holy (Gr)ail. Here´s to you, Britain.

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P.S. Folgendes Video basiert auf einem Sketch von Monty Python. The Guardian und Patrick Stewart haben wirklich alles gegeben, um zu zeigen, wie absurd der Brexit ist.