Abschied von Bernd M. Michael

Mit Bernd M. Michael hat die Marketing- und Werbeszene eine ihrer herausragenden Persönlichkeiten nun endgültig verloren. Bis zu seinem tragischen Unfall im Jahr 2009 war er ein unermüdlicher Streiter für Marketing mit Substanz, für Kreativität mit Strategie. 

In der damaligen Redaktion der absatzwirtschaft haben wir die Zusammenarbeit mit ihm immer sehr geschätzt. Interviews und Storys mit ihm waren inspirierend und hatten gleichzeitig Hand und Fuß. Da kamen keine hohlen Floskeln, kein Chichi. Wir konnten uns sicher sein: Davon haben unsere Leser:innen etwas. 

In seiner Zeit als Präsident des DMV (Deutscher Marketing Verband) habe ich als Chefredakteur der Zeitschrift einige Zeit enger mit ihm zusammengearbeitet. Dabei habe ich erlebt, dass ihm nicht nur Marken und die Marken-Macher:innen wichtig waren. Auch das Image von Marketing und Werbung, ihr Beitrag zur #Wertschöpfung am Standort Deutschland lag ihm am Herzen.

Bernd M. Michael war Motor, Identifikationsfigur und Botschafter für Marketing und Werbung. Ein Überzeugungstäter, eine Type … und auch ein Fuchs.

“Brands Ahead” revisited

Bereits im Frühjahr 2015 erschien die Studie „Brands Ahead – Die Zukunftsfähigkeit der Marke“. Sie will sich partout nicht zu weit von meinem Schreibtisch entfernen und widersteht allen Aufräum- und Altpapieraktionen. Warum nur? Eine Nachbetrachtung.

Bildschirmfoto 2015-12-18 um 12.48.49Es ist schon einige Monate her, dass Hartmut Scheffler, Chef von TNS Infratest, und Alessandro Panella, Chief Strategy Officer der Werbeagentur Grey, die Studie “Brands Ahead” im Marketing-Club Düsseldorf vorstellten. Übrigens in den Räumen des Unternehmens 3M in Neuss, das gerade seine Marke überarbeitet hatte. Das passte also bestens, und überhaupt ist mir der Abend in sehr sehr guter Erinnerung geblieben.

Korridor statt Schmalspur

Das grundsympathische an der Studie ist, dass sie nicht – wie so viele andere – den vermeintlich einen und unbedingt zu beschreitenden Weg aufzeigen will. „Brands Ahead“ leuchtet vielmehr die Polaritäten und Korridore aus. Zwischen autokratischer und partizipatorischer Führung der Marken. Zwischen Nutzen und Kontext, also dem Lebenszusammenhang des Konsums. Zwischen der Vielfalt der Kanäle und der Tiefe des Dialogs. Zwischen der Komfortzone der angestammten Warengruppen und der Konvergenz der Kategorien. Zwischen dem Markenkern und den unendlichen Chancen und Risiken, ihn im besten Falle zu schützen oder aber im schlechtesten Falle aufzuweichen.

Potemkinsche und echte Marken

Auch die Autoren der Brands Ahead-Studie verweisen auf jenes weithin bekannte und besorgniserregende Ergebnis einer anderen Untersuchung, “Meaningful brands” von Havas, wonach die meisten Menschen nicht bemerken würden, wenn ein Großteil der Marken vom Markt verschwände. Aber… was soll´s? Viele „Marken“ leben ohnehin nicht aus innerer Markenkraft sondern von Vertriebspower und niedrigen Preisen, sind nur potemkinsche Marken im Sinne von Branding und Eintragung ins Markenregister, aber eben ohne Entsprechung in Herz und Kopf der Verbraucher. Relevanz entsteht nicht durch Werbung oder die bloße Behauptung, eine Marke zu sein, sondern im wahren Leben. Im Übrigen muss man die Havas-Studie genau lesen: Marken sind für die Menschen nur dann verzichtbar, wenn es in dem betreffenden Segment noch eine andere Marke gibt.

Führungsebene eins

Die Brands-Ahead-Studie liefert ein Koordinatensystem fürs Nachdenken über Marken im Allgemeinen und über die eigenen Marken im Besonderen. Nicht mehr. aber auch nicht weniger. Und das ist in dieser Zeit, in der die Marke immer wieder totgesagt und über das Thema viel zu viele von Ego und Eigennutz geprägte Diskussionen geführt werden, ein Gewinn. Zumal die Studie meines Erachtens eines ganz deutlich macht: Markenführung kann nur Chefsache sein. Entscheidungen zu Positionierung, Leistung und Haltung einer Marke dürfen nicht in der Hierarchie, noch dazu in einer verästelten und einer hohen Fluktuation unterworfenen, getroffen werden. Sie gehören auf die Führungsebene eins, damit eine Marke in ihrem immer komplexer werdenden Umfeld als identitätskonformes und damit verlässliches Angebot in den Markt entlassen wird.

„Brands Ahead“ bietet dafür als Management-Rahmen die drei Dimensionen Brand Contest, Brand Content und Brand Context an, „3 C“ also.  Gut für den Hinterkopf, als einfaches Koordinatensystem, und glücklicherweise von den Autoren nicht als „Tool“ oder „Methode“ propagiert.

_____________________________________ (more…)