Der Ifo-Geschäftsklimaindex und die Ungewissheit

Eigentlich schaut die deutsche Unternehmerschaft frohgemut in die Zukunft. Das zeigt der Ifo-Geschäftsklimaindex an. Im Januar hat er sich zum dritten Mal hintereinander verbessert, woraufhin sich das Ifo-Institut zu der Aussage hinreißen lässt: “Die deutsche Wirtschaft startet mit Elan ins neue Jahr.” Offen gesagt, mein Lackmustest in vertraulichen Gesprächen mit Unternehmen, Marketingleitern und Agenturchefs in den letzten Tagen lassen mich zweifeln. Ich empfinde die Stimmung bestenfalls als ambivalent. Unisono berichteten meine Gesprächspartner, 2011 sei für ihr Unternehmen ein glänzendes Jahr gewesen, und auch der Auftakt dieses Jahres sei vielversprechend. Insofern bestätigen sich die Ifo-Analysen. Und dennoch lassen die Unternehmen Vorsicht walten, beschränken sich im Markting aufs notwendige Tagesgeschäft, frieren Marketingbudgets ein und geben sie nicht frei, verschieben Invests in Richtung zweites Halbjahr. “Als braue sich etwas zusammen”, sagte einer. “Als lauere hinter dem Horizont ein Drachen, von dem nicht klar ist, was das denn für einer ist”, merkte ein anderer an. Ungewissheit geht mit der aktuellen Zufriedenheit Hand in Hand, und latent macht sich Sorge breit. Wie geht es weiter mit dem Euro, Griechenland und, ganz aktuell Portugal? Was kommt da noch? Ist in Sachen Iran noch Unbill zu erwarten? Und überhaupt – längst sind Wirtschaft und Konjunktur in vielen teilen der Welt ins Stottern gekommen, und das ist Gift für eine Exportnation wie Deutschland. Die Nervösität ist hoch. Dass Chinas Wirtschaft in 2011 “nur” um 9,2 Prozent und nicht wie in den Vorjahren im zweistelligen Bereich gewachsen ist, gilt schon als schlechte Nachricht. Trotz guter Ifo-Zahlen – die Stimmung droht zu kippen.

Fragen über Fragen

Hier mein Editorial aus absatzwirtschaft 10/2011:

 

Die Planungsumfrage der absatzwirtschaft für das kommende Jahr offenbart ein seltsames Ergebnis.
Fast zwei Drittel der Teilnehmer können nicht einschätzen, welche Maßnahme im Jahr 2012 die wichtigste sein wird.
So liegt, mit gerade mal acht Prozent der Stimmen, das “Internetmarketing” vorne.
Eine überzeugende Antwort ist das nicht.

 

 

(more…)

Antizyklisches Marketing – was bringt´s?

Antizyklisches Marketing – immer, wenn es in der Wirtschaft brennt, poppt diese Idee hoch und das Schlagwort schleicht in die Gedanken und Headlines. Nielsen Media Research hat jetzt vorgerechnet, dass die Top-100-Werbungstreibenden über Vorjahresniveau in die Above-the-Line-Werbung investieren. Das Bruttowerbebudget stieg in den ersten beiden Monaten um 12,5 Prozent. Das sind 150 Millionen Euro. Auch wenn hier die Brutto-Netto-Schere gnadenlos zuschnappen dürfte (wieviel ist bezahlt, wieviel Rabatt und Zugabe?), ist das ein ermutigendes Signal. Mehr nicht.

Nielsen tut gut daran, den Fachbegriff  “Antizyklisches Marketing” gar nicht zu benutzen. Denn es könnte sich bei dem Werbeboom auch um den Versuch handeln, für dieses Jahr abzuschöpfen, was noch abzuschöpfen ist. Ich neige zu dieser Ansicht und erinnere an eine GfK-Untersuchung von Beginn dieses Jahres, die einen Zeitverzug in der Krisenanfälligkeit der Privataushalte belegte. Subjektiv hat viele die Krise noch nicht erreicht. Zum einen wirken die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale und die gesunkenen Energiekosten wie eine Einkommensspritze, zum anderen trifft die Krise den Arbeitsmarkt erst mit Verzögerung. Aber die Ruhe ist trügerisch. Ob die Unternehmen antizyklisches Marketing praktizieren, wird sich erst zeigen, wenn die Auswirkungen der Rezession auf den Privatkonsum in vollem Ausmaß sichtbar werden.

Jetzt rächt es sich, dass es außer flammenden Appellen zu offensivem Handeln und der einen oder anderen Case Study zum Thema wenig gibt. Die Marketing-Wissenschaft hat sich bisher nicht an das Thema “antizyklisches Marketing” herangetraut. Was für eine Lücke. So bleibt als Guideline die schon  in die Jahre gekommene Studie von Boston Consulting Group und Gruner & Jahr “Gegen den Strom”.

Die BCG-Berater Dr. Bernd Hauptkorn und Antonella Mei-Pochtler wiesen damals in dem Beitrag “Die Schwächen der Konkurrenz nutzen” für die absatzwirtschaft nach, dass antizyklisches Verhalten in vielen Branchenkrisen zu signifikanten Marktanteilsgewinnen führte. Sie fanden diesen Zusammenhang unter anderem für die Automobilindustrie (Krise 1993), die OTC-Pharmabranche (1998), Süßwaren (2001) und Versicherungen (1999). Einziger Ausreißer: der Textilhandel.

In dieser Headline und den hier wiedergegebenen Teilergebnissen liegt wohl nach wie vor ein Teil der Antwort auf die Frage, für wen antizyklisches Marketing lohnen kann. Wer in seinem Wettbewerbsumfeld und seinem Markt eine finanzierbare Möglichkeit sieht, Wettbewerber auszuhebeln, der möge seine Spendings hochfahren oder höher halten als der Rest. Als generelle Strategieempfehlung scheint  “antizyklisches Marketing” zu schwach, zumal die gesamte Diskussion mit der Einschränkung zu versehen ist: Gilt nur für Consumer-Märkte.

Die Notwendigkeit zur differenzierten Sicht belegen auch die Zahlen von Nielsen Media Research. Sie zeigen: Wer ohnehin viel in Werbung investiert, legt noch einmal eine Schüppe zu. Das gilt zum Beispiel für Spitzenreiter Media-Saturn, der brutto 19 Millionen Euro mehr und insgesamt 68 Millionen Euro in Werbung investiert hat. Andere stehen bereits auf der Bremse. Vodafone zum Beispiel hat in Januar und Februar nur noch ein Drittel des Vorjahresbudgets ausgegeben. Aber in ein paar Wochen werden wir wissen, wer die echten, strategischen Antizykliker sind und wer nur mal schnell den Absatz ankurbeln wollte. Jede Wette, dass vor allem der Handel sein Engagement hochhält.

Fachlich interessant wird sein, wie sich Procter & Gamble schlägt. P&G scheint auf pauschale Empfehlungen sowieso nicht angewiesen zu sein, denn die Company gilt als diejenige, die das so genannte Sales Modelling am intensivsten betreibt, also empirisch klärt, welchen Impact die Werbung auf den Abverkauf der Produkte hat. Wenn die Daten historisch weit genug zurückreichen, bis in die Krise in 2001/2002, wird P&G genauer als andere wissen, wie die Krise auf Absatz und Marktanteile wirkt – und was dagegen zu tun ist.

Prioritäten schnell neu setzen

Vor Ratschlägen für Marketing und Vertrieb unter den Bedingungen der Krise können sich die Manager derzeit kaum retten. Wirklich hilfreiche Tipps sind doch selten. Viele laufen doch darauf hinaus, das gleiche wie immer zu tun, aber eben noch besser.

McKinsey and Company immerhin warnt vor reflexartigem Handeln und macht in seinem neuen Quarterly (The crisis: A new era in management) auf einen bedenkenswerten Punkt aufmerksam: Es könnte grundfalsch sein, wenn sich Unternehmen jetzt auf ihre Wachstumsmärkte konzentrieren. Der Grund: Meistens werden diese aufgrund von Vergangenheitsdaten identifiziert. Angesichts von Tragweite und Geschwindigkeit der Veränderungen (besser: Verschlechterungen) in der Wirtschaftskrise könnte sich dies als Fehler erweisen. Die Wachstumsmärkte von gestern können durch andere, die man bisher gar nicht auf dem Radar hatte oder als zu schwach einstufte, outperformed werden.

Der Hinweis von McKinsey, eine neue Ausrichtung auf Basis von Ist-Stand der Märkte und frischen Voraussagen zu finden, ist deshalb wichtig. Und gemünzt ist er sowohl auf geographische Länder- und Regionalmärkte als auch auf Konsumentensegmente – und, last but not least, auf die Instrumente in Marketing und Vertrieb. Umfangreiche Hausaufgaben sind also zu erledigen, es gilt, in diesem Lichte die Prioritäten neu zu setzen und durchaus nuancierte Maßnamen zu ergreifen. Denn ein Ansatz wird im Lichte der vielschichtigen Veränderungen mit Sicherheit seine Wirkung verfehlen: die Rasenmähermethode.