Zur Titelgeschichte aus absatzwirtschaft 7/2012 mit der Überschrift “lorem ipsum” erschien dieses Editorial

 

Ausgabe 7/2012Mit dem Slogan “Don´t be a maybe” hat Philip Morris die potenziellen Käufer seiner Zigarettenmarke Marlboro aufgerufen, kein “Vielleicht” zu sein.  “Let your body drive”, fordert Peugeot seine Kunden auf, und Nissan verkauft seit Jahren den “Shift”.  Drei Beispiele von vielen, die den Verdacht nahelegen, dass es irgendwo in den Tresoren der Agenturen eine geheime, nur Eingeweihten zugängliche Schrift gibt, in der zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass Werbesprache kryptisch und englisch sein muss.  Und obwohl hinlänglich bekannt ist, zum Beispiel durch die einschlägigen Studien der Agentur Endmark, dass die Verbraucher bei englischsprachiger Werbesprache meist Bahnhof verstehen, wird munter drauflos getextet, als wäre Deutsch nicht reich genug und die babylonische Sprachverwirrung etwas Nützliches.

Aber vielleicht verraten die Pretests für solche Kampagnen ja etwas ganz anderes?  Bis zur Veröffentlichung solcher Ergebnisse gilt meines Erachtens die Annahme, dass Denglisch-Kampagnen nicht wirken, weil sie so gut wären, sondern weil die Unternehmen einen immensen Werbedruck entfalten – wie an der aktuellen Marlboro-Kampagne unschwer zu erkennen ist.  Doch nicht nur in der Werbung hapert es. Auch in ihren Reden, Broschüren und Verträgen, auf Websites und in den sozialen Netzwerken formulieren Unternehmen manchmal Texte, die die Verständlichkeit und Aussagekraft von Blindtext aufweisen – die üblicherweise mit “lorem ipsum” beginnen.  Ihre Lippenbekenntnisse, wonach sie in Zeiten des Web 2.0 den Dialog für sich entdeckt hätten und mit ihren Stakeholdern intensiv kommunizieren möchten, führen sie damit eindrucksvoll ad absurdum, wie Vera Hermes’ Titelgeschichte “Stunde der Wahrheit” zeigt.

Die schlug auch für “Coeo – das Haus der guten Taten” in Berlin, als in absatzwirtschaft 10/2011 der Beitrag “Denn sie sagen nicht, wer sie sind” von Autorin Bettina Dornberg erschien.  Sie enthüllte darin, dass die Betreiber einer extremen evangelikalen Strömung angehören, die Hälfte der Gewinne aus diesem Shopkonzept für den Aufbau so genannter Reich-Gottes-Unternehmen einsetzen und dies sowie ihren missionarischen Eifer vor den Kunden verschleiern. Für diesen investigativen Beitrag wurde sie jetzt von der Deutschen Fachpresse und der Karl-Theodor-Vogel-Stiftung mit dem zweiten Platz im Wettbewerb zur Fachjournalistin des Jahres geehrt, wozu die Redaktion herzlich gratuliert.