Die Telekom beerdigt DSL-Flats – und hat einen Shitstorm nicht verdient

Was erdreistet sich denn die Telekom da? Sie macht sich Gedanken über ihr Geschäft und wie sie die Investitionen in die Infrastruktur des Internets (die auch von vielen anderen Providern genutzt wird), monetarisieren kann. Ja das ist ja mal frech. Wo kommen wir denn dahin, wenn sich ein Unternehmen so denkt und seine Investitionsrechnungen mal richtig ernst nimmt? Das Internet und der möglichst billige Zugang ist ja quasi ein Menschenrecht.  Sascha Lobo befürchtet schon die “Erdrosselung des Internets”, ein Shitstorm bricht los und René Obermann als Noch-Konzernchef muss sich vorkommen wie ein Lord auf der dunklen Seite der Macht.

Darf es bitte ein wenig differenzierter sein?

Ob es nun eine clevere Idee ist, die Flatrates für DSL abzuschaffen und an ihre Stelle mit Volumentarife zu setzen, bei den das Tempo auf Schneckenmaß heruntergeregelt wird, wenn das Datenkontingent erschöpft ist – das muss die Praxis zeigen. Im Sinne der Marketingtheorie könnte man jetzt argumentieren, dass die Penetrationsphase des neuen Produkts zu günstigen Preisen vorüber ist und es nun um die Monetarisierung durch Abschöpfung der Zahlungsbereitschaften geht … als Case-Study an den Business Schools gäbe es für diesen Lösungsweg sicher gute Noten. Zumal die Telekom mit dem Problem zu kämpfen hat, dass konkurrierende Kabelanbieter Internet und Telefonie über längst abgeschriebene Netze anbieten kann, während die Telekommunikationsfirmen munter Milliarden in den Netzausbau investieren können. Spiegel online hat diese Zusammenhänge in einem Bericht über Obermann prägnant beschrieben.

Der Schritt und der Schnitt zeugen erst einmal von Mut, denn dass das Netz erzittern wird ob dieser Ankündigung, das war ja wohl jedem bei der Telekom klar. Aber die Ankündigung zeugt auch von unternehmerischem Verantwortungsbewusstsein. Denn dass die Infrastrukturanbieter nicht ewig tatenlos zusehen, wie Google, Apple und Co. sich in der neuen Internetökonomie eine goldene Nase verdienen und ihre Produkte und Mehrwerte aus Vernetzung und Bandbreite entwickeln, das darf doch nun wirklich niemanden verwundern. Die Telekom wirft hier implizit auch die Frage auf, wer für die Finanzierung des hohen Gutes der Netzneutralität eigentlich verantwortlich ist.

Keine Frage, es ist ziemlich blöde für die privaten Vielnutzer, wenn der Internetzugang teurer wird, und der Telekom steht es gut zu Gesicht, wenn sie sich jenem Teil ihrer Verantwortung bewusst ist, die über das eigene Geschäftsmodell hinausgeht. Für die Wirtschaft, die immer mehr auf breitbandige Leistung im Internet angewiesen ist (und dafür gern bezahlen darf), und die Gesellschaft, für deren soziales Gefüge es schädlich wäre, wenn im Sinne des “digital devide” Menschen durch die neuen Preismodelle abgehängt würden. Aber so wie es ausschaut, steht das derzeit nicht zu befürchten. Erst ab 75 Gigabyte will die Telekom die Bremse ziehen.

Ich habe schwer den Verdacht, dass der Aufschrei auch deshalb so laut ist, weil die Verbraucher gar nicht wissen, wie viel das ist. Ich schließe mich da ein, ich habe schlichtweg keine Ahnung, wie viel ich im Monat bewusst oder unbewusst downloade – und bin heilfroh über meine Flatrate. Und ehrlich gesagt auch darüber, dass hier ein wichtiger Player deutlich macht, dass die Kostenlos- und Billigkultur im Internet auf Dauer nicht tragfähig ist.

Mit ihrer Ankündigung platzt die Telekom mitten in eine Debatte um die Netzneutralität, nach der die Daten aller Content- und Serviceanbieter im Web gleich behandelt werden sollen. Bürgerrechtsbewegungen haben sich schon an die EU gewandt mit der Bitte, das sicherzustellen. Und die Opposition in Berlin will der Telekom per Gesetz zu Leibe rücken. Da braut sich etwas zusammen: die Debatte darüber, was das Internet eigentlich ist. Ein Quasigrundrecht oder ein modulares Produkt, bestehend aus Hard- und Software verschiedener Anbieter.

 


Comments

5 responses to “Die Telekom beerdigt DSL-Flats – und hat einen Shitstorm nicht verdient”

  1. Ich, als Administrator in einem Enterprise Hosting Rechenzentrum, kann sehr wohl die Mengen einordnen.

    Wenn ein Provider sein Netz kastrieren möchte kann er dies tuen. Das er dabei jedoch alle Aspekte der Netzneutralität vergisst ist ein Problem.

    Hier geht es außerdem nicht um eine Kostenlos-Kultur. Viel mehr kostet Datenverkehr heute kaum noch etwas, sofern man zu Gleichberechtigten Peerings bereit ist. Das waren die Herren von Drosselkom noch nie.

    Außerdem wird dort, im Vergleich zu anderen Providern, fast nicht ausgebaut.

    Seit 3 Jahren bitten wir nach 300MBit/s mehr. In der selben Zeit haben wir bei einem anderen Provider 2x2GBit/s erhalten, und können noch mehr haben.

    Jahrelang haben sie geschlafen, und nun soll der Verbraucher drauf zahlen.

    In anderen Ländern hat jeder Haushalt eine 100MBit Anbindung. Und das für einen guten Preis.

    Die Telekom glaubt ihr gehöre das Netz. Die Einführung von “Managed Services” ist eine Verdrehung der seit Jahren weltweit etablierten Strukturen. Jeder Anbieter von Online-Diensten zahlt entweder bei einem Provider seiner Wahl für Traffic oder betreibt selbst ein AS und Peert. Peering ist eine Notwendigkeit. Ohne läuft das Internet nicht.

    Bevor man also seine Hand schützend über die Telekom hält, sollte man sich informieren, was wirklich dahinter steckt. Ich empfehle hier Wikipedia.

    PS: Alleine durch meine Arbeit habe ich in manchen Monaten mehr als 100GB Traffic, ohne Youtube, IPTV und Spiele.

  2. Hallo Herr Berdi,

    vielen Dank für Ihren Kommentar, aber ich muss mich in diesem Fall auch meinem Vorredner (tbe) anschließen. Das geht gar nicht.

    Ich war sechs der letzten acht Wochen vom Internet abgeschnitten, weil Vodafone und Telekom sich nicht einigen konnten wessen Kunde ich bin. Es war die Hölle auf Erden für mich. Fragen Sie mal die Generation vor Ihnen, die Generation von Digital Immigrants, Digital Natives und Hardcore-Gamern. 75 GB sind mehr als genug für den Otto-Normal-Traditionalisten und vielleicht auch den Baby Boomer. Aber nicht für die neueren Generationen.

    Die 75 GB bekomme ich auch ohne illegale Downloads im Monat voll. Beispielsweise weil es mir Spaß macht die 20 Telekom-Apps aus dem Appstore herunterzuladen und wieder zu löschen, nur um sie dann wieder herunterzuladen. Oder realistischerweise, weil ich kein Fernsehen mehr kucke, sondern mir die Mediatheken von ARD, ZDF oder YouTube gönne. Und ob ich meine Musik nun Spotify, der Telekom-Cloud, oder aber Apple, Google, Last.fm oder wem auch immer anvertraue, geht die Telekom nun wirklich nichts an. Meine Filme streame ich auf Lovefilm, weil der Service viel besser ist als bei der Telekom. Wieso sollte ich dann Videoload Kunde werden – nur wegen der Leitung?

    Und wenn ich mal den Loot aus einem Diablo oder WoW Raid, der im digitalen Markt einige hundert reale Euro wert ist, verpasse, weil meine Leitung kurz “laggt”, dann werde ich das der Telekom gerne in Rechnung stellen. Diese Spiele schicken Unmengen an Datenpaketen durch die Gegend – wenn man nur lange genug spielt.

    Jeder verdammt gerade Google, dass die Suchergebnisse zu ihren Gunsten verfälscht werden. Nichts anderes macht die Telekom durch die Drosselung und den Ausschluss von eigenen Diensten.

    Nein, ehrlich, ich finde, dass das gar nicht geht. Und es ist für mich ein absoluter Grund meinen Vertrag bei der Telekom zu kündigen – egal ob mit 75 GB, 750 GB oder 7.5 Millionen GB. Mit zunehmender Zeit und technischem Fortschritt steigen auch die Ansprüche der Kunden an eine gute Internetleitung. Was heute “ausreichend” wirkt, ist in ein paar Jahren völlig wertlos.

    Viele Grüße
    Alper Aslan

  3. Brennholz Avatar
    Brennholz

    Ich will noch ein paar Punkte beisteuern:
    – Warum führt ausgerechnet der teuerste Anbieter eine Drosselung ein?
    – Wieso sind dir Kabelfernsehnetze abgeschrieben, die Telekomleitungen aber nicht? Bei beiden liegen die Kabel schon länger im Boden (die Telefonleitungen sogar schon was länger) und beide mussten die Netzseitig umrüsten um sie für Internet auszubauen. Ich sehe wenig Unterschied.
    – Verstößt es wirklich gegen die Netzneutralität, wenn auf einer Leitung verschiedene Dienste transportiert, aber nur einige davon gedrosselt werden. Würde man bei einem Kabelanbieter ebenso argumentieren, wenn er das Internet drosselt aber seine Digitalfernsehkanäle nicht, nur weil sie einen anderen Transportlayer verwenden?
    – Jeder der eine der recht weit verbreiteten Fritz-Boxen nutzt kann sich seine Datenverbrauchsstatistiken ansehen.
    – Und ja, 75GB sind wenig. Wenn man es mal überschlägt und den max. Durchsatz eines 16 MBit Anschlusses nimmt sind 75 GB gerade mal rund 2% dessen, wass ich in einem Monat (30 Tage) verbrauchen könnte. Um mal wieder ein an den Haaren herbeigezogenes Beispiel zu wählen, das wäre als würde mich der Zugführer nach 1/2 Stunde täglich aus dem Zug schmeissen, obwohl ich eine Monatskarte habe.
    – In welchen anderen Ländern hat *jeder* Haushalt eine 100 MBit Leitung zu einem guten Preis, und was ist ein guter Preis (und jetzt bitte nicht so was wie Monaco anführen, muss schon ein Flächenstaat sein)? Mich nervt dieses ewige zitieren von Österreich. Ja, es gibt auf der Welt EIN Land wo mobile Telekommunikation billiger ist, und es ist auch zufällig ein Nachbarland. Und ja, in den USA gibt es 3 (!) Kleinstädte in denen Google Glasfaser an die Masten hängt. Aber bei uns gibts auch Henningsdorf und Friedrichshafen, von Stadtnetzbetreibern ganz zu schweigen, wie bspw. Netcologne.
    – In Schweden vergraben viele Kommunen Glasfaserleitungen selber. Diese kann man als Kunde dann mieten, und unabhängig davon muss man sich einen Anbieter für die Daten suchen. Warum schlafen die Kommunen in Deutschland? Wenn der Kanal, Gas- oder Stromleitung erneuert wird, warum nicht gleich noch ein Glasfaserbündel mit rein? Das ist eher der Punkt den ich nicht verstehe, zumal die Politik direkten Einfluss darauf hat.
    – Und zu guter letzt, warum Aufregen? Bei so was gibts nur eine Sprache die Firmen verstehen, und die heisst Boykott. Alles andere ist verschwendete Lebenszeit. Die Telekom hat sich für mich schon viel früher erledigt, nämlich seid der Abschaltung des Usenetservers.

    /Brennholz

  4. Hi Brennholz,

    warum ausgerechnet die Telekom eine Drosselung einführt kann ich dir nicht sagen. Aber zu einigen anderen Fragen habe ich evt. eine Antwort:

    Netzneutralität:
    Die Netzneutralität besagt, das alle Pakete im Internet gleich behandelt werden müssen. Da der Digitale Kabelempfang nicht nur einen anderen Layer belegt, sondern eine komplett eigene Technologie ist (und ein geschlossenes Netz) hat das mit der Netzneutralität selbst nichts zu tuen.

    100MBit Ausbau:
    Um ein Europäisches Beispiel zu nennen: In Finnland wurde 2010 ein Recht auf Internet anerkannt. Bis zum jahre 2015 soll jeder Haushalt mit 100MBit/s versorgt sein.
    In Süd-Korea sind die Anbindungen aktuell im Schnitt bei 50MBit/s, ländliche Gebiete drücken auch dort die 100MBit in Städten. Die Preise dort liegen bei ca $30!

    Leitungen durch Kommunen:
    Das wäre das Beste. Den Leitungbestand der staatlichen Post an die Private Telekom zu verkaufen war der größte Fehler. Das Leitungsnetz müsste, ähnlich wie es mit Funkfrequenzen geschieht, staatlich verwaltet werden. Nur dann kann es auch für die Anbieter einen fairen Wettbewerb geben. Solange die Telekom die meisten Leitungen ( im Last-Mile Bereich ) hällt wird das nix.

    tbede

  5. Also zunächt mal möchte ich dich darauf hinweisen, das das Wort in dem Einfuhrungs-Absatz “benutzen” heißt nicht “benützen”. Zum sachlichen Teil möchte ich sagen, dass die Telekom von jedem Fremdanbieter eine Nutzungspauschale für Wartung und Ausbau erhält. Falls dies zu wenig ist, um einen Ausbau der Netze zu gewährleisten, hat die Telekom die möglichkeit sich an die Netzagentur bzw. direkt an die anderen Anbieter zu wenden um die finanzielle Last des Ausbaus der Netze zu verteilen. Ich sehe keinen Sinn darin die Nutzer zu beschränken, da das Internet mitlerweile riesige Datenmengen enthält. Für mich riecht das ganze sehr nach “Beschränkung der Informationsfreiheit”.

    yingko

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