Pricing: Evernotes Sprung ins Ungewisse

Der Cloudservice Evernote erhöht massiv die Preise. Ob das gut geht? Es gleicht ein wenig einem öffentlichen Feldversuch zur Preiselastizität, was Evernote gerade versucht. 

Evernote genehmigt sich einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Der Preis für die Premium-Version steigt um gut 40%. Das nenne ich mal Power Pricing. Es spricht aber weiter einiges für Evernote Premium, das ich persönlich sowohl als Notetaking-App, fürs Projektmanagement und auch als Dokumenten-Management-System (DMS) nutze. Vor allem, dass in der Premium-Version Pdfs durchsucht werden können, ist wirklich hilfreich. Und das kann weder Apple Note noch Microsofts Onenote. Aber die Konkurrenz schläft ja bekanntlich nicht. Jedenfalls wird auf vielen Webeiten darüber diskutiert, ob nicht der Zeitpunkt gekommen ist, Evernote den Rücken zu kehren.

I’ve been an Evernote user since 2009. My life is in there. But after the company’s pricing changes made clear that it’s ditching its core consumer user base, it’s time for a move. Hello, Microsoft OneNote.
Sascha Sagen, PC Mag UK

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„Differenzierte Preise sind der effektivste Gewinntreiber“

Aus Kundensicht erscheinen differenzierte Preissysteme oft ungerecht und, was ein wenig in der Natur der Sache liegt, auch intransparent. Das gilt auch für die Preise der Deutschen Bahn. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat nun ein leicht verständliches, auf Entfernungskilometern beruhendes Preissystem gefordert. Pricing-Experte Professor Hermann Simon reagierte prompt.

Das Prinzip „gleiche Leistung, gleicher Preis“ gilt schon lange nicht mehr in allen Märkten. Bei Hotels und Pauschalpreisen zum Beispiel nicht, und bei den Flugpreisen auch nicht. Im Einzelhandel wird heiß diskutiert, ob Preise nach Kundenfrequenz oder Tageszeit differenziert werden können. Der Grund liegt auf der Hand: Differenzierte Preissystem ermöglichen eine bessere Rentabilität, weil unter Zeitdruck, bei hoher Auslastung und zu Stoßzeiten die Zahlungsbereitschaft der Kunden höher ist. Andererseits ermöglichen differenzierte Preise eine Steuerung der Nachfrage, denn schwache Geschäftszeiten können durch niedrigere Preise belebt werden. Soweit die Sicht der Betriebswirtschaft, wie sie auch von der Deutschen Bahn gepflegt wird,

Die vom VCD gespiegelt Einschätzung der Kunden ist – natürlich – eine andere. Demnach halten nur zwölf Prozent von 1900 Befragten das Tarifsystem der Deutschen Bahn für verständlich. Womit  sie zweifellos Recht haben. Zudem seien die Befragten mehrheitlich der Ansicht, die Preise seien willkürlich und änderten sich ständig. Fast 95 Prozent der Studienteilnehmer wünschen sich ein einfach aufgebautes und transparentes Tarifsystem. Mehr als Dreiviertel befürworten dabei einen günstigen Festpreis statt vieler Sonderangebote. Zudem plädiert die Mehrheit für kilometerabhängige Preise.

So verständlich diese Forderungen aus Kundensicht sein mögen, wirtschaftlich sind sie naiv und für ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn überhaupt nicht gangbar. Als ich letzte Woche Meldungen über dies Studie des VCD las,  kam mir sofort Professor Hermann Simon in den Sinn, der gerade ein Buch mit dem wunderbaren Titel „Confessions of the Pricing Man“ veröffentlicht hat. Wie der Gründer von Simon Kucher & Partner den VCD-Vorschlag wohl kontern würde? Sein Kommentar, verbreitet via Pressemeldung, ließ nicht lange auf sich warten und ich stelle ihn hier gerne zur Lektüre bereit:

Von Professor Hermann Simon

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Hermann Simons neues Buch “Confessions of the Pricing Man – How Price Affects Everything”

Die Bahn braucht differenzierte Preise. Damit entsteht zwangsläufig eine gewisse Intransparenz. Das ist gewollt und sinnvoll. So fordern viele Nutzer und auch der Verkehrsclub Deutschland, der die entsprechende Erhebung durchführte, rein entfernungsabhängige Kilometerpreise. Dieses Preissystem galt bis in die neunziger Jahre, da technisch nichts anderes möglich war. Heute würde ein solches System völlig an der Realität und am Kundennutzen vorbeigehen. Nehmen wir das Beispiel der Strecke Köln Hauptbahnhof – Frankfurt Flughafen. Über die Rheinstrecke und Bonn Hauptbahnhof braucht der Zug zwei Stunden und sechs Minuten, auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke über Siegburg/Bonn sind es lediglich 54 Minuten. Das ist ein Zeit- und Nutzenunterschied, der insbesondere Geschäftskunden und Pendlern sehr viel wert ist. Warum sollte die Bahn für diese völlig unterschiedlichen Leistungen den gleichen Preis verlangen? Die Preisdifferenzierung ist tatsächlich enorm. Ein Fahrkarte 2. Klasse über die Rheinschiene nach Frankfurt Flughafen kostet 46 Euro, über die Hochgeschwindigkeitsstrecke muss man im Normaltarif 67 Euro, also fast 50 Prozent mehr zahlen. Offensichtlich sind sehr viele Kunden bereit, den höheren Preis zu zahlen, wie man an der hohen Auslastung der Züge auf der schnellen Verbindung sehen kann.

Die Bahn ist kein Wohltätigkeitsverein

Die Bahn ist ein Unternehmen, das nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden soll. Sie ist kein „Wohltätigkeitsverein“, sondern soll einen angemessenen Gewinn erzielen, um Investitionen für die Zukunft finanzieren zu können. Auch wenn der einst von Mehdorn geplante Börsengang nicht zustande kam, muss die Bahn gewinnorientiert arbeiten.

Differenzierte Preise sind der effektivste Gewinntreiber. Die Bahn könnte hier noch deutlich weitergehen. So wäre es durchaus angebracht, in starken Verkehrszeiten wie am Freitagnachmittag/-abend und am Sonntagnachmittag/-abend einen Zuschlag zu verlangen. Die Kunden brauchten dabei nur einen geringen Aufpreis zu zahlen. Drei Euro für die 2. Klasse oder fünf Euro für die 1. Klasse erscheinen sinnvoll. Ein solcher Zuschlag hätte zwei Effekte: Zum einen wären die Züge weniger überfüllt, zum zweiten würde die Bahn mehr Gewinn erzielen. Insbesondere die Billigairlines zeigen, dass solche differenzierten Preise sehr effektiv sind.

Allerdings sollte die Bahn nicht den Weg der Fluggesellschaften gehen und nur Fahrkarten mit Reservierung verkaufen. Dieser Versuch wurde bereits einmal im Jahre 2002 gemacht und scheiterte damals. Die Flexibilität des deutschen Bahnsystems ist für die Kunden äußerst wertvoll. Mit einer normalen Fahrkarte kann man jeden Zug benutzen. Dieser Vorteil sollte nicht aufgegeben werden. Zwar machen das andere Eisenbahnen, wie etwa die französische, anders. Aber das französische System, insbesondere im Fernverkehr, besteht praktisch aus einem Stern, der von Paris ausgeht, und hat eine völlig andere Struktur als das stark vernetzte deutsche System.

Die Bahn sollte die Preise weiter differenzieren

Ein sehr attraktives Angebot der Deutschen Bahn ist die Bahncard, die mittlerweile von mehr als fünf Millionen Kunden gekauft wird. Sie schafft eine hohe Kundentreue. Jedes Mal, wenn der Kunde eine Fahrkarte kauft, hat er ein Erfolgserlebnis, denn er bekommt 25 beziehungsweise 50 Prozent Rabatt. Bei der Bahncard 100 braucht er sogar nur einmal im Jahr eine Fahrkarte zu kaufen, danach kann er beliebig oft und beliebig weit fahren. Es gibt weltweit nur ein weiteres Beispiel einer bezahlten Rabattkarte, das ähnlich erfolgreich ist, nämlich Amazon Prime.

Die Kritik an der Preisdifferenzierung der Bahn und der damit einhergehenden Preistransparenz ist weitgehend unangebracht. Eher sollte die Bahn ihre Preise noch stärker differenzieren.

Der Schmerz des Preises

Mit bildgebenden Verfahren machen Neuro-Wissenschaftler die Aktivitäten des Gehirns sichtbar. Ein medizinischer Fortschritt, der längst auch von der Wirtschaft genutzt wird, insbesondere im Marketing und in der Werbung. Die lang vorherrschende Skepsis, ob die Hirnscans mit ihren farbenfroh aufflammenden Arealen auch außerhalb einer Laborsituation von Nutzen sein können, weicht mehr und mehr einer pragmatischen Anwendung der Erkenntnisse.

So verstehen die Unternehmen immer besser, warum sich Verbraucher für oder gegen einen Kauf entscheiden. Wenn sie etwas haben möchten, wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiv. Dieses wohlige Gefühl der Vorfreude kennen wir (fast) alle, und diese Erkenntnis überrascht nicht. Aber hätten Sie gedacht, dass eine Preisangabe tatsächlich das Schmerzareal aktiviert?

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Pricing: Aus dem “Praktiker-Syndrom” gibt´s kein Entrinnen

5.09.2013 – Nach der Drogeriemarktkette Schlecker ist mit den Praktiker-Baumärkten ein weiterer Discounter insolvent und verschwindet vom Markt. Den Zusammenhang zwischen aggressivem Preisgebaren und dem Niedergang von Praktiker hat jetzt Professor Hermann Simon, Gründer der Unternehmensberatung Simon, Kucher und Partners, unter die Lupe genommen. Sein Fazit ist eine Warnung: “Um die negative Gewinnwirkung von 20 Prozent Rabatt zu kompensieren, braucht man bei typischen Kostenstrukturen eine Verdoppelung der Absatzmenge. Diese wird in der Realität fast nie erreicht.” Hermann Simons Kommentar darf auch als Vorgeschmack auf das nächste Woche bei Campus erscheinende Buch „Preisheiten – Alles, was Sie über Preise wissen müssen“ verstanden werden:

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Kommentar zur Fusion von E-Plus und O2: “Der wahre Gewinner ist die Deutsche Telekom”

Dr. Ekkehard Stadie, Simon, Kucher & Partners

Dr. Ekkehard Stadie, Simon, Kucher & Partners

23.07.21013 – Zeitenwende im Mobilfunkmarkt: Die angekündigte Fusion von O2 (Telefonica Deutschland) und E-Plus würde einen neuen Marktführer hervorbringen – nach Kundenzahlen gerechnet. Der bisherige Platzhirsch, die Deutsche Telekom, wäre nur noch Nummer 2 und für Vodafone bliebe nur Bronze. Betrachtet man allerdings den Umsatz, wären alle drei künftigen Anbieter mit jeweils cirka 28 bis 29 Prozent Marktanteil fast auf Augenhöhe – mit einem knappen Vorsprung für die Telekom. Diese sieht der Telekommunikationsexperte Dr. Ekkehard Stadie, Partner der Strategieberatung Simon, Kucher & Partners, letztlich als Gewinner der Marktbereinigung. Während E-Plus und O2 vor allem junge, preisbewusste Konsumenten erreichten, könnten sich Vodafone und Deutsche Telekom auf das anspruchsvollere, mittel- und hochpreisige Marktsegment konzentrieren. Stadie kommentiert die Marktentwicklung so:

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