Seit knapp einer Woche gibt es neue Internetdomains als Ergänzung zu bekannten Kürzeln wie .de, .com, .biz oder .org. Mit einer der zusätzlichen Endungen hat es etwas Besonderes auf sich. Die Rede ist von .hiv. Das Sozialunternehmen DotHIV nutzt sie zur Unterstützung von Hilfsprojekten für AIDS-kranke Menschen. Eine Innovation im Online-Fundraising mit großem Potenzial – und besonderen Herausforderungen in der Kommunikation. Nicht nur, weil AIDS und HIV auch hierzulande in weiten Bereichen von Gesellschaft und Wirtschaft nach wie vor mit Stigma und Tabu belegt sind. Hinzu kommt, dass der Fundraisingprozess von DotHIV zwar ausgeklügelt, aber auch erklärungsbedürftig ist.
Wer steht hinter der Initiative DotHIV?
Die DotHIV-Initiative mit Sitz in Berlin ist keine Hilfsorganisation, sondern ein Sozialunternehmen im Sinne des “Social Entrepreneurship”, das seine Gewinne in Sozialprojekte investiert. Geschäftsführerin des DotHIV-Vereins ist Ina von Rosenstiel. Mitgründerin Carolin Silbernagl, die mir für diesen Blogeintrag Rede und Antwort stand, leitet als Geschäftsführerin die TLD DotHIV Registry GmbH zur Verwaltung der .hiv-Domains.
DotHIV hat sechs Mitarbeiter sowie viele Helfer und Unterstützer, darunter Google, den Domainregistrar Key Systems, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und die Hamburger Werbeagentur Thjnk. In einem Pro-domo-Projekt von Thjnk entstand die Idee zu DotHIV. Agenturmitgründer und Vorstand Dr. Michael Trautmann ist als Investor und Botschafter für die Initiative unterwegs, hat sogar den U2-Frontmann Bono auf die Initiative aufmerksam gemacht.
In den Büchern von DotHIV stehen mehr als 600.000 Euro Investment, auch aufgelaufen durch fünf Jahre Vorlauf und die Verhandlungen mit der “Internetregierung” ICANN. Diese berechnete allein 185.000 Dollar für die Prüfung. Das Geld stammt von der Investitionsbank Berlin, Tengelmann Social Ventures und weiteren Investitionen.
“Die Idee, den Kampf gegen Aids zu digitalisieren und mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell Aufmerksamkeit für ein gesellschaftlich so wichtiges Thema zu schaffen – und das nicht nur einmal im Jahr zum Weltaidstag –, hat uns überzeugt.“
Karl-Erivan W. Haub, Geschäftsführender und persönlich haftender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Tengelmann, zur Bekanntgabe des Investments im April 2014
Wie können Unternehmen an DotHIV teilnehmen?
DotHIV ist der Großhändler aller hiv-Domains weltweit. Zur Teilnahme kaufen oder buchen Unternehmen und Organisationen die Domainendung .hiv bei einem der bekannten Dienstleister wie Strato, 1&1 oder Domain-Discount24. Sie sind die Einzelhändler der hiv-Domains. Der einfachste Weg ist, den Nutzern unter der Endung .hiv einen zweiten Zugang zur Homepage zu ermöglichen. Einen Nebeneingang sozusagen, über den man nach einem kurzen Hinweis und einer “Danke!”-Einblendung auf die normale Homepage eines Unternehmens gelangt. DotHIV bezeichnet diesen Weg als “digitale rote Schleife”. Daneben können Unternehmen natürlich auch unter mit .hiv-Seiten ganz neue Auftritte aufbauen. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat unter magazin.hiv zum Beispiel einen neuen Kommunikationskanal eröffnet. Hilfsorganisationen, die in der AIDS-Prvention und -hilfe arbeiten, erhalten die Domain kostenlos.
Wie fließt das Geld?
Die Unternehmen zahlen die Gebühr für die Internetdomain .hiv an ihren Dienstleister, dieser wiederum überweist garantiert 179 Dollar pro Jahr und pro vergebener hiv-Domain an die DotHIV-Initiative. Diese bietet hier eine Übersicht mit den Preisen für eine Domain.
Was mich persönlich ärgert, nämlich dass mein Dienstleister sich bei der hiv-Domain eine Marge in die eigene Tasche wirtschaftet – die Domain christoph-berdi.hiv würde 24,90 Euro im Monat kosten – stört Carolin Silbernagl grundsätzlich:
“Für die Unternehmen ist es wichtig, die Preise zu vergleichen. Es wäre schön, wenn die Kunden jene Registrare unterstützen, die den sozialen Zweck mittragen.”
Jedenfalls entstehen den Unternehmen darüber hinaus keine Kosten. Und den Nutzern, die auf eine .hiv-Seite gehen, auch nicht. Und das funktioniert so: Die 179 Dollar pro Domain und Endung gehen an DotHIV. Pro Klick auf irgendeine .hiv-Seite werden davon 0,1 Cent in Spendengeld verwandelt. Die Einnahmen gehen zu 30 Prozent in die Refinanzierung von DotHIV, zu 70 Prozent in Hilfsprojekte. Bis sich diese Mikrospenden zu namhaften Summen addieren, wird es einige Wochen, wenn nicht Monate dauern. Die Registrierung der Endungen ist gerade erst angelaufen, die Einrichtung braucht Zeit, und die Möglichkeit, .hiv-Seiten zu besuchen, muss erst noch bekannter werden. Vor allem die avisierten großen Sites wie google.hiv sind noch nicht online. Als ich diesen Blog am Sonntag schrieb, stand der Ticker bei 6,63 Euro, mithin also das Ergebnis von 6630 Klicks,
Wer wird unterstützt?
DotHIV unterstützt zu Beginn Initiativen in den USA, in Ruanda und Südafrika sowie in der Türkei. Eines der Ziele ist, den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten zu verbessern. Vor allem möchte DotHIV kleinen, community-basierten Organisationen helfen, wobei ein Expertengremium und Richtlinien die Qualität sichern sollen. In einem zweiten Schritt wird dann die Internetcomunity einbezogen: Auf der Seite click4life.hiv kann sie dann mitbestimmen, an welche Projekte DotHIV-Mittel fließen.
Wie verlief der Start von DotHIV?
Vergangene Woche waren 25 .hiv-Seiten online. Etwa ein Drittel der teilnehmenden Unternehmen und Organisationen stammen aus Deutschland. International sind vor allem die USA gut vertreten. Die US-Sängerin Alicia Keys will nach Angaben von DotHIV ihre Charity-Organisation “Keep a child alive” auch unter .hiv online bringen. Ob U2-Chef Bono mit seiner Red-Initiative auch mitzieht, muss sich noch zeigen. Hierzulande ist die Tengelmann-Gruppe vom Start weg mit plus.hiv vertreten, weitere Sites sind thjnk.hiv, poz.hiv, hyve.hiv und sedo.hiv.
Nun braucht es Marketing …
Wie jedes Sozialunternehmen steht DotHIV vor der Aufgabe, den Menschen zu vermitteln, dass Investment und laufende Kosten gerechtfertigt sind und auf lange Sicht ein gutes Ergebnis bringen.
Damit DotHIV aus den Überschüssen aus den Domaingebühren Kosten decken und relevante Förderbeträge auszahlen kann, müssen die Zahlen der teilnehmenden Unternehmen und der Klicks auf .hiv-Seiten rasch, am besten exponentiell steigen. Wie die User auf die .hiv-Seiten gelangen und auf sie aufmerksam werden, ist eine knifflige Marketing- und Kommunikationsaufgabe für die DotHIV-Initiative, die AIDS-Hilfen und -Projekte sowie die teilnehmenden Unternehmen. Nur wenn das gelingt, wird sich das Ziel von DotHIV verwirklichen lassen: die Masse der Internetnutzer im Sinne eines “Crowdfundraising” für den guten Zweck zu gewinnen – und DotHIV als gelungenes Beispiel für soziales Unternehmertum zu etablieren.
Die Kollegen von brand eins schrieben im September 2013 unter der Schlagzeile “Die Punktlandung” über DotHIV:
“Es könnte sein, dass .hiv zur Plattform einer sozialen Bewegung wird. Es könnte ebenso gut sein, dass es ein ungenutztes Anhängsel bleibt. Über den Erfolg entscheidet nach jahrelangen Verhandlungen jetzt etwas anderes: Werbung.”
Das sehe ich auch so. Fortsetzung und ein Zwischenfazit zu DotHIV folgen Anfang 2015.
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