Noch einen Monat in Berlin: Sebastião Salgados erstaunliche Reisen ins Paradies

Noch bis August ist im C/O in Berlin die Ausstellung “Genesis” mit Fotos von Sebastião Salgado zu sehen. Er zeigt die von der Zivilisation weitgehend unberührte Seite unserer Welt. Indem Salgado uns an ihrem Zauber teilhaben lässt, weckt er gleichzeitig die Sorge um ihren Bestand.

Sebastiao Salgado, "Genesis", erschienen im Taschen-Verlag.

Mit Krisen- und Sozialreportagen ist der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado weltberühmt geworden. Unvergessen sind beispielsweise seine Foto der Goldminenarbeiter in Brasilien, Wimmelbilder voller Menschen, die das wertvolle Metall aus der Kruste unseres Planeten lösen. Freiwillig, im Goldrausch, der dort in den 1980er-Jahren losbrach. Mittelalterliche Zustände im 20. Jahrhundert. Salgado hat Arbeiter überall auf der Welt begleitet; für sein Projekt “Migrations” ist er mit Flüchtlingen  durch ökologische Katastrophen und durch Kriegsgebiete gezogen. Auf diesen Reisen, die ihn jahrelang von einem Brennpunkt zum anderen führten, so erzählte er es dem „Spiegel“, habe er zuviel Grauen gesehen. Er ist nach der Jahrtausendwende deshalb andere Wege gegangen, nicht mehr zu den Tragödien, sondern hin zu den Ursprüngen, zu weitgehend unberührten Landschaften und Biotopen sowie den Lebensräumen indigener Völker mit wenig Kontakt zur Zivilisation. Von diesen Reisen hat er Bilder von einer überwältigenden, berührenden Schönheit mitgebracht. Er zeigt nicht die Zerstörung, er zeigt das Paradies.

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Der neue Stern – eine kleine Blattkritik

Wer, wie ich, von Print begeistert ist, der muss einfach genauer hinschauen, ja am Papier riechen, wenn eine Zeitschrift wie der Stern, 1948 von Henri Nannen gegründet, überarbeitet wird …

Ich muss einräumen: Mich haben die Blattmacher des Wochenmagazins Sterns mit ihrem Relaunch letzte Woche glatt korrumpiert. Wer eine 14seitige Bildstrecke mit Schwarzweiß-Aufnahmen der Fotografenlegende Sebastian Salgado ins Heft rückt, der hat erst einmal mein Herz gewonnen. Es bereitet mir dann schon Mühe, angesichts dieser Schönheit wieder auf Distanz zu gehen und das Heft neutral zu betrachten. Gemein! Großartig! Und eben typisch Stern. Das Bekenntnis zum dramatischen Foto bleibt, die Bildredaktion des Stern ist dem gelangweilten Fotoeinsatz im Spiegel und dem bemühten im Focus überlegen und prägt die Zeitschrift. Der Stern versteht es als einziges der drei großen deutschen Magazine, die emotionale Kraft von Fotografie einzusetzen und zu nutzen.

Der Stern für einen EuroDer Versuch der Sterns, neue Elemente wie eine doppelseitige Infografik ins Heft zu nehmen, diesmal zu den Finanzen des VW-Konzerns, kann funktionieren, bedarf aber noch des Feinschliffs. Grafiken sollen ja Komplexität reduzieren, bei dieser Grafik muss man aber schon ziemlich genau hinsehen, um nicht den Überblick zu verlieren. Die Typographie des neuen Stern ist aufgeräumt und mit der mutigen Serifenschrift als Titelschrift modern. Die bekannten Schmankerl des Sterns haben ihren Platz. Die Luftblasen haben etwas an Platz eingebüßt, Haderer prangt wie eh und je, Chefredaktionsmitglied Hans-Ulrich Jörges nimmt Berlin aufs Korn und Til Mette hat für seine Cartoons weiter eine Seite. Stern bleibt Stern.

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