Teekesselchen nennen Kinder Worte mit zwei- bis mehrfacher Bedeutung. Wie Messe. Sie ist der Gläubigen liebste Bet- und Bessinungsversammlung in Kapelle, Kirche oder Kathedrale und der Unternehmen liebste Vertriebs- und Marketingveranstaltung in Showroom, Stadt- oder Messehalle.
Doch so recht teekesselt es da nicht, denn beide haben mehr miteinander zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. Werfen wir also einen Blick in ein etymologisches Lexikon, das die sprachliche Herkunft von Worten zu klären versucht: Messe kommt vom lateinischen Missa, womit einst ein Teil der Liturgie gemeint war, und mauserte sich im Laufe der Jahrhunderte zum Begriff für die Gottesdienste. Nahe der Kirchen – ist auch logisch, es waren ja eh fast alle gottesfürchtig und anwesend – wurden Märkte veranstaltet. Vor den Kirchen, denn schliesslich hatte schon Jesus die Händler aus dem Tempel gejagt. Bereits im 14. Jahrhundert hüpfte das Wort aus dem spirituellen Kontext in die schnöde Welt des Kommerz. Aktenkundig ist zum Beispiel eine Handelsmesse in Frankfurt in jener Zeit.
Diese historische Verbindung von Handel und Religion lädt förmlich zu einem metaphorischen Parforceritt ein. Sind die pompösen Messestände nicht Kathedralen, ja Tempel der Ersatzreligion Marke, für die Konzerne teilweise Millionen Euro ausgeben? Überwältigen sie den Messebesucher nicht genauso, wie Kirchen die Gläubigen, ziehen sie ihn nicht genauso in den Bann und lassen ihn in die Knie gehen?
Auf einer Internationalen Automobil- oder Funkausstellung, vulgo IAA oder IFA, gibt es diese Demonstrationen von Markenmacht und Größe. Aber weder stand im Mittelalter in jeder Stadt eine Kathedrale, noch hat heute jedes Unternehmen die Möglichkeiten zum Tempelbau auf einer Messe. Der schöne und markenbildende Schein von Messeauftritten sorgt für Wahrnehmung, Image und ein gutes Gefühl bei den Besuchern, vielleicht, im Unterbewusstsein, auch für jene Erfurcht, die sich beim Besuch einer Kirche einstellen mag. Aber das alles ist zweit- bis drittrangig, Tand. Was schon immer zählte, waren die Taler. Die Besucher wollen günstig einkaufen, die Aussteller Kunden gewinnen und binden, Aufträge schreiben und schlicht ihre Waren und Dienstleistungen verkaufen – ganz prosaisch. Darauf ist das Augenmerk auf beiden Seiten zu richten: auf den Zeitpunkt und den Prozess, wenn Angebot und Nachfrage auf der Messe zusammentreffen. Da zählen dann Kunden- und Interessentenmanagement, eine sorgfältige Vorbereitung des Standpersonals und systematische Nachfassaktionen, damit aus Kontakten Geschäfte werden.
Wer diese Aufgaben vernachlässigt, dem geht es entweder zu gut oder er verfügt über ein Gottvertrauen sondergleichen. Er sollte beten. Auch für den Moment, in dem er seinem Chef beichtet.
Dieser Text erschien in leicht gekürzter Form und unter dem Titel “Arbeiten statt beten” zuerst in der Kolumne “Berdis Business” in Energo, dem Geschäftskundenmagazin der Stadtwerke Bochum
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