Dieser Text ist in meiner Kolumne “Berdis Business” in der Zeitschrift “Energo” 2/2013 in leicht veränderter und gekürzter Fassung erschienen. Das Thema: Verkauf. Von Maschinen, Menschen und Menschen, die wie Maschinen sind:
Die Marketing-Maschine läuft heiß. Die sozialen Medien wie Facebook und Twitter werden als Werbe- und Kommunikationskanäle immer interessanter. Targeting gilt als das Gebot der Stunde, der Versuch also, im Internet die Spur des Kunden aufzunehmen und ihm immer wieder Werbung einzuspielen, von denen die Maschinen wissen, dass sie ihn interessiert. Eines haben diese digitalen Marketingwege gemein: Marketing- und Vertriebschefs lieben sie. Man kann so schön nachrechnen, was sie erbracht haben. Auf Heller und Pfennig. Eine Luxussituation, die es so im Marketing noch nie zuvor gab.
Die Freude der Marketers über diese digitale Effizienzmaschine teile ich gerne, aber leider führt der Hype um Website, Facebook und Co. dazu, dass andere, und mit Verlaub, ungleich wichtigere Kontaktpunkte (“Customer Touchpoints”) sträflich vernachlässigt werden. Im Service, im Verkauf, überall, wo Menschen auf Menschen treffen. Zwar singen die Unternehmen das Hohe Lied der Mitarbeiterqualifikation, doch fern von den Chefetagen, an der Verkaufsfront und in den Call Centern, scheint das nicht immer anzukommen.
Bevor jetzt hier jemand meckern kann, dass pampige, unaufmerksame und penetrante Verkäufer und Telefonkräfte “Einzelfälle” seien, verweise ich auf die empirische Lage und die Ergebnisse des Mystery Shopping, verdeckter Testkäufe also, die immer wieder Erschreckendes offenlegen. Bis hin zur Diskriminierung, wie eine Studie des Lehrstuhls für Value Based Management an der Universität Augsburg belegt. Danach wird jeder dritte Konsument in Deutschland beim Kauf von Produkten und Dienstleistungen im Laufe eines Jahres diskriminiert, besonders häufig wegen des Geschlechts (11,5 Prozent), des Alters (11 Prozent) oder seines sozioökonomischen Status (9,2 Prozent). Türkische Konsumenten passiert das deutlich häufiger als deutschen. Welch Arroganz gegenüber dem eigenen Kunden, und wie selbstschädigend! Das ist ja nur von der amerikanischen Kultmodekette Abercrombie & Fitch zu toppen, die für Damen kürzlich die XL-Größe aus dem Sortiment genommen hat, um ja nur noch die schönen Menschen im Laden zu haben.
Apropos Amerika. Nicht nur Verirrungen wie die von Abercrombie & Fitch sprechen dafür, dass das vermeintliche gelobte Land des Service, dessen Marketing-Manna auch die deutsche Servicewüste bewässern und erblühen lassen soll, sich nur bedingt als Vorbild eignet. Wer das “Hey, how are you doing?”-, das “You guys have a nice day?”-Gesäusel, das einem allerorten entgegenschallt, für echte Zuwendung zum Kunden hält, der wird schnell eines besseren belehrt. Zum Beispiel, wenn er einen Laden wenige Minuten nach dem Kauf noch einmal betritt und erkennen muss, dass er die gleichen Sprüche serviert bekommt und ihn niemand wiedererkennt. Mehrfach innerhalb weniger Tage erlebt. Dieses “Professionell Smile”, das “freundlich sein auf Teufel komm raus”, ist entnervend und kann auch nicht die Lösung sein.
Marketing zielt auf den “Moment of truth”, auf den Zeitpunkt und den Ort, an dem der Kunde wirklich kauft und die Kasse klingelt. Bei aller Wertschätzung für die technischen Möglichkeiten in Marketing, Werbung und Vertrieb – im Moment der Wahrheit entscheiden in vielen Fällen immer noch die Menschen. Nicht Maschinen, und auch keine Mitarbeiter, die irgendwelche durch ISO-Normen oder Verkaufsleitfäden vorgegebene Sprüche herunterleiern. Die Unternehmen, insbesondere stationäre Einzelhändler, dürfen nicht versäumen, in den Kundenkontakt über ihre Mitarbeiter zu investieren. In ihre Menschen also, die auch mal einen schlechten Tag haben dürfen. Mir ist ein authentisch muffelnder Verkäufer lieber als eine Mensch-Maschine.
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