„Differenzierte Preise sind der effektivste Gewinntreiber“

Aus Kundensicht erscheinen differenzierte Preissysteme oft ungerecht und, was ein wenig in der Natur der Sache liegt, auch intransparent. Das gilt auch für die Preise der Deutschen Bahn. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat nun ein leicht verständliches, auf Entfernungskilometern beruhendes Preissystem gefordert. Pricing-Experte Professor Hermann Simon reagierte prompt.

Das Prinzip „gleiche Leistung, gleicher Preis“ gilt schon lange nicht mehr in allen Märkten. Bei Hotels und Pauschalpreisen zum Beispiel nicht, und bei den Flugpreisen auch nicht. Im Einzelhandel wird heiß diskutiert, ob Preise nach Kundenfrequenz oder Tageszeit differenziert werden können. Der Grund liegt auf der Hand: Differenzierte Preissystem ermöglichen eine bessere Rentabilität, weil unter Zeitdruck, bei hoher Auslastung und zu Stoßzeiten die Zahlungsbereitschaft der Kunden höher ist. Andererseits ermöglichen differenzierte Preise eine Steuerung der Nachfrage, denn schwache Geschäftszeiten können durch niedrigere Preise belebt werden. Soweit die Sicht der Betriebswirtschaft, wie sie auch von der Deutschen Bahn gepflegt wird,

Die vom VCD gespiegelt Einschätzung der Kunden ist – natürlich – eine andere. Demnach halten nur zwölf Prozent von 1900 Befragten das Tarifsystem der Deutschen Bahn für verständlich. Womit  sie zweifellos Recht haben. Zudem seien die Befragten mehrheitlich der Ansicht, die Preise seien willkürlich und änderten sich ständig. Fast 95 Prozent der Studienteilnehmer wünschen sich ein einfach aufgebautes und transparentes Tarifsystem. Mehr als Dreiviertel befürworten dabei einen günstigen Festpreis statt vieler Sonderangebote. Zudem plädiert die Mehrheit für kilometerabhängige Preise.

So verständlich diese Forderungen aus Kundensicht sein mögen, wirtschaftlich sind sie naiv und für ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn überhaupt nicht gangbar. Als ich letzte Woche Meldungen über dies Studie des VCD las,  kam mir sofort Professor Hermann Simon in den Sinn, der gerade ein Buch mit dem wunderbaren Titel „Confessions of the Pricing Man“ veröffentlicht hat. Wie der Gründer von Simon Kucher & Partner den VCD-Vorschlag wohl kontern würde? Sein Kommentar, verbreitet via Pressemeldung, ließ nicht lange auf sich warten und ich stelle ihn hier gerne zur Lektüre bereit:

Von Professor Hermann Simon

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Hermann Simons neues Buch “Confessions of the Pricing Man – How Price Affects Everything”

Die Bahn braucht differenzierte Preise. Damit entsteht zwangsläufig eine gewisse Intransparenz. Das ist gewollt und sinnvoll. So fordern viele Nutzer und auch der Verkehrsclub Deutschland, der die entsprechende Erhebung durchführte, rein entfernungsabhängige Kilometerpreise. Dieses Preissystem galt bis in die neunziger Jahre, da technisch nichts anderes möglich war. Heute würde ein solches System völlig an der Realität und am Kundennutzen vorbeigehen. Nehmen wir das Beispiel der Strecke Köln Hauptbahnhof – Frankfurt Flughafen. Über die Rheinstrecke und Bonn Hauptbahnhof braucht der Zug zwei Stunden und sechs Minuten, auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke über Siegburg/Bonn sind es lediglich 54 Minuten. Das ist ein Zeit- und Nutzenunterschied, der insbesondere Geschäftskunden und Pendlern sehr viel wert ist. Warum sollte die Bahn für diese völlig unterschiedlichen Leistungen den gleichen Preis verlangen? Die Preisdifferenzierung ist tatsächlich enorm. Ein Fahrkarte 2. Klasse über die Rheinschiene nach Frankfurt Flughafen kostet 46 Euro, über die Hochgeschwindigkeitsstrecke muss man im Normaltarif 67 Euro, also fast 50 Prozent mehr zahlen. Offensichtlich sind sehr viele Kunden bereit, den höheren Preis zu zahlen, wie man an der hohen Auslastung der Züge auf der schnellen Verbindung sehen kann.

Die Bahn ist kein Wohltätigkeitsverein

Die Bahn ist ein Unternehmen, das nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden soll. Sie ist kein „Wohltätigkeitsverein“, sondern soll einen angemessenen Gewinn erzielen, um Investitionen für die Zukunft finanzieren zu können. Auch wenn der einst von Mehdorn geplante Börsengang nicht zustande kam, muss die Bahn gewinnorientiert arbeiten.

Differenzierte Preise sind der effektivste Gewinntreiber. Die Bahn könnte hier noch deutlich weitergehen. So wäre es durchaus angebracht, in starken Verkehrszeiten wie am Freitagnachmittag/-abend und am Sonntagnachmittag/-abend einen Zuschlag zu verlangen. Die Kunden brauchten dabei nur einen geringen Aufpreis zu zahlen. Drei Euro für die 2. Klasse oder fünf Euro für die 1. Klasse erscheinen sinnvoll. Ein solcher Zuschlag hätte zwei Effekte: Zum einen wären die Züge weniger überfüllt, zum zweiten würde die Bahn mehr Gewinn erzielen. Insbesondere die Billigairlines zeigen, dass solche differenzierten Preise sehr effektiv sind.

Allerdings sollte die Bahn nicht den Weg der Fluggesellschaften gehen und nur Fahrkarten mit Reservierung verkaufen. Dieser Versuch wurde bereits einmal im Jahre 2002 gemacht und scheiterte damals. Die Flexibilität des deutschen Bahnsystems ist für die Kunden äußerst wertvoll. Mit einer normalen Fahrkarte kann man jeden Zug benutzen. Dieser Vorteil sollte nicht aufgegeben werden. Zwar machen das andere Eisenbahnen, wie etwa die französische, anders. Aber das französische System, insbesondere im Fernverkehr, besteht praktisch aus einem Stern, der von Paris ausgeht, und hat eine völlig andere Struktur als das stark vernetzte deutsche System.

Die Bahn sollte die Preise weiter differenzieren

Ein sehr attraktives Angebot der Deutschen Bahn ist die Bahncard, die mittlerweile von mehr als fünf Millionen Kunden gekauft wird. Sie schafft eine hohe Kundentreue. Jedes Mal, wenn der Kunde eine Fahrkarte kauft, hat er ein Erfolgserlebnis, denn er bekommt 25 beziehungsweise 50 Prozent Rabatt. Bei der Bahncard 100 braucht er sogar nur einmal im Jahr eine Fahrkarte zu kaufen, danach kann er beliebig oft und beliebig weit fahren. Es gibt weltweit nur ein weiteres Beispiel einer bezahlten Rabattkarte, das ähnlich erfolgreich ist, nämlich Amazon Prime.

Die Kritik an der Preisdifferenzierung der Bahn und der damit einhergehenden Preistransparenz ist weitgehend unangebracht. Eher sollte die Bahn ihre Preise noch stärker differenzieren.

Star Wars VII: Das Erwachen des Umsatzes

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X-Wing-Fighter: Lego-Spielzeug aus Star War VII “Das Erwachen der Macht”

 

Star Wars gilt als eines der großen Märchen unserer Zeit. Das Strickmuster ist so klar und einfach, als hätten es die Brüder Grimm aufgeschrieben. Gut und Böse, eine Prinzessin, gleich mehrere Helden, ein dunkler Ritter – allesamt archetypische Figuren, denen der Zuschauer durch epische Kämpfe und innere Konflikte, durch Freud, Liebe und Leid folgen kann. Immer in der Gewissheit: Am Ende wird alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, folgt der nächste Teil. Star Wars – ein Geniestreich von George Lucas und ein Riesengeschäft.

Die Filmsaga begann 1977. Die Sehnsucht nach Geschichten mit den Helden und Schurken auf der jeweils richtigen Seite war damals, im kalten Krieg und nach dem Vietnam-Debakel der US-Amerikaner, offenbar groß. Dabei glaubte zunächst kaum jemand an den Erfolg, auch 20th Century Fox nicht. Leichtfertig überließ das Studio deshalb George Lucas die Rechte am Merchandising, an Fortsetzungen und an der Filmmusik. Diese Entscheidung rangiert auf der Rangliste verpasster Chancen wohl nur knapp hinter dem schwarzen Tag der Plattenfirma Decca, die einst eine Band namens The Beatles ablehnte. (more…)

Integration à la FC Bayern München

Ab heute rollt der Ball wieder in der Fußball-Bundesliga, den Auftakt geben der Hamburger SV und der FC Bayern München. Nicht nur sportlich wird es sich wieder lohnen, den Bayern auf die Füße zu schauen. Auch über Diversität können Manager etwas von ihnen lernen. 

Deutschland ist Exportweltmeister, darf sich darüber aber nicht so richtig freuen: Einigen Kritikern ist Deutschland dann doch zu erfolgreich, quasi wie der FC Bayern der Weltwirtschaft. So sieht es zum Beispiel Brüssel. Statt es sich mit dem immensen Exportüberschuss gutgehen zu lassen, solle Deutschland mehr Waren und Dienstleistungen importieren und investieren – und der Konjunktur im europäischen Binnenmarkt so Impulse geben. Die USA sind auch sauer und klingen ein bisschen wie der BVB, der feststellen muss, dass er an den FC Bayern München doch nicht dauerhaft heranreicht: Das extreme Plus der deutschen Exporte gegenüber den Importen zwinge andere Länder zum Schuldenmachen. Offenkundig geht es den Amerikanern aber nur darum, nach der Wirtschaftskrise Ende der 2000er-Jahre wieder Boden gutzumachen. Deutschlands Wirtschaft zieht konzentrische Kreise um die Welt und ist damit immens erfolgreich.

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Handel in der Innenstadt: Wissen ist überall 

Die „Dialogplattform Einzelhandel“ hat die Arbeit aufgenommen. Bis 2017 soll sie Empfehlungen für Politik, Kommunen und Wirtschaft entwickeln. Es geht um die Frage, wie zukunftsfähige Handelsstrukturen in Zeiten der Digitalisierung und des demografischen Wandels gestaltet werden können.

Mit einer dürren Passage verkündeten CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag von 2013 ihre Pläne für den Einzelhandel. Gemeinsam mit Unternehmen, Verbänden und Kommunen sollte eine Plattform ins Leben gerufen werden, sowohl um „die Verödung unserer Innenstädte zu verhindern, als auch, um die Versorgung im ländlichen Raum zu gewährleisten“. Es ist das Verdienst des HDE, dass diese dürftigen Sätze keine leeren Versprechungen der Politik bleiben, sondern als „Dialogplattform Einzelhandel“ einen breit angelegten Diskurs über die Zukunftsaussichten des Handels hervorgebracht haben. „Wir wollten ein möglichst dichtes Programm. Das hätten wir ohne den HDE gar nicht auf die Beine stellen können“, erklärte Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister und Vorsitzender der SPD, bei der Auftaktveranstaltung mit über 200 Gästen in Berlin, und mochte das Projekt gar nicht hoch genug aufhängen: „Es geht auch darum, wie wir morgen miteinander leben wollen.“

Mein Beitrag über den Start der Dialogplattform Einzelhandel ist in handelsjournal 6/2015 erschienen. Übrigens: In der Headline steckt ein Wortspiel. Das löst sich nur für Weiterleser auf. Hier gibt es den gesamten Text:

Handel in der Innenstadt: Wissen ist überall | Handelsjournal

25 Jahre Efficient Consumer Response: „Die Zukunft passiert jetzt“

Efficient Consumer Response – unter dieser Maxime begannen Handel und Industrie vor 20 Jahren mit einer engen Zusammenarbeit. Vor dem ECR-Tag 2015 schauen dm-Chef Erich Harsch, Stephan Füsti-Molnár, Geschäftsführer Henkel Wasch- und Reinigungsmittel, und Jörg Pretzel, Geschäftsführer von GS1, zurück und nach vorn.

Unter dem Schlagwort „Efficient Consumer Response“ arbeiten Handel und Industrie seit zwei Jahrzehnten zusammen. Was ist erreicht worden?

ERICH HARSCH: Das Besondere an ECR ist das „C“, der Consumer, die gemeinsame Arbeit zum Wohle des Konsumenten als Alternative zu einer konfrontativen Haltung zwischen Handel und Industrie, bei der es dem Handel darum ging, Konditionen zu bolzen, und die Industrie die Ware reindrücken wollte. Jetzt fragen wir Schulter an Schulter nach den Bedürfnissen der Konsumenten. Eine gemeinsame Informationsbasis hilft, die Prozesse zu durchleuchten, besser zu verstehen und damit auch die besseren Entscheidungen für den Kunden zu treffen.
STEPHAN FÜSTI-MOLNÁR: Insbesondere auf der Supply-Side, also auf der Seite der Industrie, haben wir gesehen, dass jeder für sich nicht die Möglichkeiten hat, solche Potenziale zu heben, wie wir sie durch ECR-Kooperationen erreichen. Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit liegt in der Standardisierung – dadurch können gemeinsame Prozesse optimiert und somit effizienter gestaltet werden. Diesem Weg haben sich Handel und Industrie erfolgreich in den letzten Jahren verschrieben
JÖRG PRETZEL: Mein wichtigstes Fazit ist: Die Kooperationsplattform hat gehalten. Die Verhandlungen zwischen Industrie und Handel sind nicht einfacher geworden, und trotzdem sitzen beide gemeinsam an einem Tisch. Es ist auch künftig das gemeinsame Ziel, ein verbessertes Angebot, eine höhere Warenverfügbarkeit und eine schnellere Belieferung im Interesse des Kunden zu erreichen. Wenn es uns nicht gelungen wäre, mit ECR diese Ebene der Kooperation zu schaffen und zu halten, dann würden wir heute auch nicht mehr dieses Interview führen.

Das Interview führte ich für die Ausgabe 6/2015 des handelsjournals. Den gesamten Text gibt es hier:

Interview: „Die Zukunft passiert jetzt“