Schlag nach bei Darwin

Editorial zu Ausgabe  6/2009 der absatzwirtschaft:

Ressourcen, Budgets, Preise runter – mit diesen Reflexen haben viele Unternehmen auf die Krise reagiert.
Oftmals aus Hilflosigkeit und Mangel an Alternativen, denn wer hat schon einen Plan B in der Tasche für den Fall, dass ganze Marktsegmente in einem Schwarzen Loch verschwinden?
Der Schreck sitzt tief, aber der Blick muss nun wieder nach vorne gerichtet werden.

Stärken-Schwächen-Betrachtungen, Portfolio-Analysen, Szenario-Techniken – es ist alles da. Vielleicht war der Instrumentenkasten der Marketingprofis nie so wertvoll wie heute. Aber alle Analysen müssen neu angestellt werden, weil die Wirtschaftskrise Ausdruck einer neuen Wirklichkeit ist.
Vielversprechende Kundensegmente und Ländermärkte von gestern haben ihren Glanz verloren. Marktbereiche, die gestern noch mit Priorität zwei oder drei betrachtet wurden, sind vielleicht heute jene, auf die man die besten Leute ansetzen sollte. So gewappnet, kommen Marketers erst gar nicht in den Geruch, “Bunte-Pappen-Träger” mit wenig Ahnung von Zahlen zu sein, wie es Grohe-Chef David Haines in der absatzwirtschaft 5/09 beklagte.
Solche Rempler müssen Marketers seit Jahren ertragen. Es ist mehr als an der Zeit, dem etwas entgegenzusetzen.

Dabei darf es keine Denkverbote geben. Auch Optionen, die so gar nicht ins Weltbild der Wirtschaft passen, müssen gedacht werden.
“Kontrolliertes Schrumpfen” (Prof. Christian Homburg) ist so eine Möglichkeit. Manche Unternehmen haben gar keine andere Wahl, auch wenn dies den intern existierenden Planungs-, Steuerungs- und Incentivierungstools entgegenläuft und per se erst einmal unvereinbar mit dem Grundgedanken des Marketing erscheint, Marktanteile, Umsatz und Renditen zu mehren. In der Titelgeschichte dieser Ausgabe ist absatzwirtschaft-Redakteur Thorsten Garber der Frage nachgegangen, wie das Marketing, nachdem der erste Schreck verdaut sein dürfte, die neuen Marktgegebenheiten angehen kann.

Ein Gedanke ist sicher neu. Den schnellen Wandel der Märkte zu antizipieren, skalierbar zu sein und auf immer kürzere Konjunkturzyklen mit heftigen Ausschlägen reagieren zu können – das sind Qualitätsmerkmale des Marketing von Morgen. Charles Darwin hatte schon Recht. Sein Spruch vom “survival of the fittest” gilt.

Vernebelte Sicht auf den Markt

Marktorientierung ist das Mantra moderner Unternehmensführung. Und doch ist der Blick auf die Märkte bisweilen schwer getrübt. BBDO Consulting hat gemeinsam mit Market Logic Software namhafte Unternehmen befragt, woher die Nebelschwaden denn kommen. Und aus den Antworten der 44 Entscheider aus Companys wie Procter & Gamble, Allianz oder Linde, lässt sich gut ablesen, was den Dunst aufsteigen lässt:

  • Zu viele Daten, zu wenig Wissen.
  • Unzureichende Datenqualität.
  • Fehlendes Managament der Insights.
  • Keine einheitliche Marktlogik (=Marktverständnis???)
  • unsystematische Entscheidungssysteme.
  • Zu wenig Return on Investment

Ich nehme mal an, die Befragten sprachen nicht von sich, sondern meinten das, na ja, irgendwie abstrakt und mit dem Fingerzeig auf die anderen. Wundersam, nicht wahr? Natürlich gibt es Software und Managementansätze, mit denen sich der Nebel vertreiben lässt. Aber ist das wirklich das Problem? Oder liegt es nicht vielmehr daran, dass das Marketing sich zu sehr in operative Funktionen hat abdrängen lassen und deshalb die Führungs-, Planungs- und Informationsarchitekturen der Unternehmen einfach nicht auf die Bedürfnisse des Marktes, sondern die des Controllings und der Finanzmärkte abgestellt sind?